Winni Mühlbauer - Trailruning - Ehrwald Seebensee - Coburger Hütte - Drachensee - Tajatörl: 12.7.18


12.07.18
... noch ganz besoffen
Winni

von der hochprozentigen Natur. Verlangt von mir nicht, dass ich drei Stunden nach dieser Runde den Tag beschreibe. Sitze vor diesem Blog, frisch und munter, könnte gleich noch eine Runde drehen, und bin noch immer besoffen von dieser bezaubernden Landschaft.

War es die Erinnerung an einen meiner ersten Bergläufe gleich gegenüber, dem Zugspitz-Extremberglauf am 7.7.13? Die großartige wilde Bergkulisse der Mieminger Kette über Ehrwald? Eine gnädige Sonne, die den lieben langen Tag von einem blauem Himmel schien, nie aber ihre Keule auspackte? Der kühlende Wind? Die smaradgrünen und topasblauen Juwelen in den Mulden, in denen sich hoch aufragende Berge widerspiegelten? Oder die "Mädels", die mir beim Pinkeln zusahen? Wohl alles zusammen gab mir heute Kraft für diese schnelle, 19km lange Runde mit gut 900hm im Anstieg und 1300hm im Abstieg.

Fünf lange Tage habe ich hingefiebert auf diesen Donnerstag, den Wettergott bekniet, seit ich die Bilder vom Drachensee unterhalb der Coburger Hütte in einem Wanderführer entdeckt hatte. Hätte ich mir einen Tag schnitzen dürfen, so, und nicht anders, hätte er ausgesehen.

Ich erreiche Ehrwald auf der Südseite des Wettersteingebirges, passiere im Ortskern den Startplatz des Zugspitz-Extremberglaufs, der 2013 das letzte Mal in dieser Form stattgefunden hat. Noch gut erinnere ich, wie ich damals zusammen mit 1200 Läufern auf diesem Platz stand, hoch zur Zugspitze geguckt hatte und sagte: Scheiiiiße! (Voll krass sagte man damals noch nicht). Damals war ich so gut wie nie in den Bergen, das steilste Stück beim Laufen war die Brücke im Englischen Garten über den Mittleren Ring.

Auch erinnere ich, dass der Weg hinauf zur Ehrwalder Alm über Asphalt ging. Darauf hatte ich heute keine Lust, weswegen ich mich hochgondeln lies, in das lichte Hochtal, gesäumt von Riesen. Im Norden die Zugspitze, im Süden die Mieminger Kette, die es flächenmäßig mit dem Wetterstein aufnimmt. Eine traumhaft schöne Ecke.

Punkt 10 Uhr mache ich mich an der Bergstation (1500m) auf, besuche aber erst noch das Tiroler Haus gegenüber. Zu den hochmodernen Toiletten im Untergeschoss führen zwei Rolltreppen. Kaum betrete ich den Raum für Herren, blicken ein Dutzend Mädels auf mich herunter ... Die Welt steckt voller Genuss und Schönheit. Draußen, vor der Türe, in den Bergen. Wo die Sonne scheint, die Blumen blühen und das Wasser fließt. Wo Wünsche erfüllt werden, wenn sich aus Leidenschaft ein Tun entwickelt.

Raus aus diesem Protztempel, tief durchatmen und ab die Post. Nach knapp einem Kilometer in der Sonne und leicht bergan, erreiche ich den lichten Wald. Flott laufe ich den breiten Forstweg weiter, der sich bald in einen Wanderweg wandelt und nicht geizt mit feinen Ausblicken: Zurück auf die Zugspitze, nach vorne auf kleine Ausschnitte einer Gebirgslandschaft, die mich reichlich mit Emotionen beschenken wird.

Es ist nicht immer nur der Flow beim Trailrunning, es ist auch die Schönheit der Schöpfung, die mich bei diesem Tun erfüllt.

Nach knapp drei Kilometern erreiche ich den Abzweiger, der direkt zum Tajatörl führt. Ich aber laufe die Runde gegen den Uhrzeigersinn und sammle die Perlen, eine nach der anderen, so bald als möglich, um sie auf dem kargen, schottrigen Downhill nach dem Tajatörl dabei zu haben. Auf dem Weg zur ersten Perle, dem Seebensee, erreiche ich eine Lichtung, die den Blick auf die wolkenlose Zugspitze freigibt. Auf einem Bankerl sitzt eine Wanderin. Was mich in diesem Moment gebissen hat, weiß ich nicht, jedenfalls denke ich mir, die sitzt da wie bestellt, um ein Foto von mir vor dieser Kulisse zu machen. Ich: Das hatte ich nicht erwartet, dass du tatsächlich da sein wirst. Sie: guckt. Ich: Ich hatte dich ja bestellt, damit du hier ein Foto von mir machen kannst, und halte ihr die Kamera hin. Sie: guckt, nimmt die Kamera. Ich: erkläre ihr, Querformat, schwarzen Knopf drücken. Sie, englisch, mit französischem Akzent: ... hat es nicht ganz verstanden. Ich, auf englisch: This way ... and black button. Vielleicht war es gut, dass sie den Anfang nicht verstanden hat, und ich gelobe, mich zukünftig mit Späßchen ein wenig zurückzuhalten. Gelacht haben wir beide dennoch viel.

Wenig später, nach gut 5km, öffnet sich der Blick auf den kristallklaren Seebensee (1657m). Türkis leuchtet er vor der Sonnenspitze. Ich tauche meine Kappe ein, setze sie patschnass auf, wandere gemütlich weiter zu seinem anderen Ende und drehe mich um. Majestätisch erhebt sich die Zugspitze im Hintergrund über dem Seebensee, der topasgleich verschiedene Farben annehmen kann, jetzt liegt er Himmelblau vor mir.

Alleine ist man hier nicht. Das aber ändert sich hinauf zur Coburger Hütte. Der Weg wird zum Pfad, der Pfad wird steiler, die Passagen sind felsendurchsetzt. Der Blick hinunter zum Seebensee mit der Zugspitze im Hintergrund zwingt zum Stehenbleiben. Nicht lange, und die Coburger Hütte (1917m) taucht auf. Und die nächste Perle. Über Latschen hinweg schaue ich von der noch wenig besuchten Terrasse hinunter zum tiefblauen Drachensee und die ihn zierenden Felsgipfel. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Dann schaue ich auf meinen weiteren Wegverlauf hinauf zum Tajatörl. Noch klitzeklein ein paar Felszacken links unterhalb des Grünsteins, nicht allzuweit entfernt. Ein paar Schluck Wasser, und ich laufe los, laufe hinunter zum See und beginne dort mit dem Aufstieg - für mich einer der schönsten Abschnitte, die ich je gelaufen bin. Immer wieder bleibe ich stehen, drehe mich um und kann mich nicht satt sehen an der Szenerie rund um die Coburger Hütte und dem Bergauge, das aus dem Felskessel zu mir herauf schaut. Ich laufe weiter die engen Serpentinen hoch, lande auf einer flachen grünen Hochebende, bevor es im Drachenkar geröllig wird. Der Weg schwenkt nach links und vor mir taucht das Tajatörl (2257m) auf. Über große Felsblöcke hinweg nähere ich mich rasch der Pforte, die mich in eine andere Bergwelt bringen wird.

Spärlich das Grün, dominierend das Grau. Rechts ein Pfad über Geröll, meiner geht direkt hinunter. Anfangs steil windet sich der Ganghofersteig in zahlreichen Kehren im Brendelkar hinunter. Dreimal stapfe ich durch leicht aufgetaute Schneefelder. Das Kar wird flacher und ist wieder gut laufbar. Das Geröll und der Schnee liegen hinter mir, die Landschaft wird wieder Grün. Der Pfad führt vorbei an einer Felswand. Ein kleiner Stein fällt mir beinahe auf den Kopf. Der von Alpenrosen gesäumter Pfad lässt mich den Stein schnell vergessen, auch der Blick hinüber zum Wetterstein. Nach gut 13km treffe ich wieder auf den Wanderweg, auf dem ich hoch gekommen bin. Vorbei geht es an der Ehrwalder Alm und ich sehe, dass es zwei Wege zur Talstation gibt. Eine Straße für Autos und Fahrräder, und einen Wiesenweg. Schade, hätte ich gerne am Anfang gewusst. Wurscht! Vollgetankt mit guter Laune und Glücksgefühlen laufe ich die letzten drei Kilometer ins Tal.

Mit 19km - 11 davon auf leichten Wegen -, und 900hm, war es heute eine kurze Runde. Erfüllt von den Eindrücken, den Szenenwechseln und den wie Perlen aufgereiten kleine Bergseen jedoch, kam es mir vor, als wäre ich den ganzen Tag unterwegs gewesen. Es war eine Tour, die ich vor allem jenen ans Herz lege, die mal reinschnuppern wollen in alpines Gelände, das technisch nicht allzuschwer ist.

Bis bald.
In the meantime: Turnpike Troubadours "The Bird Hunters"

Hier die google-animation - im Uhrzeigersinn: Wanderung Ehrwalder Alm - Tajatörl - Coburger Hütte - Seebensee | GPS-Track

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Bis Tajatörl

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Ab Tajatörl.

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Am Seebensee

Auf dem Weg zum Tajatörl - Blick auf Drachensee und Coburger Hütte

Blick vom Tajatörl nach Osten


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