Trailrunning Wendelstein - 15.11.14

Winni Mühlbauer - Trailrunning Wendelstein 15.11.14


15.11.14
Einer geht noch,
einer geht noch nauf!
Winni

"
Gemütlich geht es zum Bahnhof Osterhofen" lautet die Unterschrift des dritten Fotos auf der Beschreibung dieser Tour auf www.hoehenrausch.de. Ich fand es weniger gemütlich, denn noch nichtmal richtig losgelaufen, landete ich auf der Nase. Ein kleiner Pecker am linken Knie. Also in die Hände gespuckt, Arme und Beine ausgeschüttelt und weiter.

Eine Viertelstunde zuvor war ich auf den riesigen und nahezu leeren Parkplatz der Seilbahnstation Osterhofen auf der Südseite des Wendelsteins gefahren, gegen 11 Uhr bei milden 16,5 Grad und leicht bedecktem Himmel. Die Seilbahn hatte ebenso Revision wie die Zahnradbahn, und damit war es DER Tag für den Wendelstein, da ich keine Lust habe, am Gipfel Badelatschen anschauen zu müssen. Auch wenn es der Tag zum Laufen hier war, meiner war es erstmal nicht. Schon beim Aussteigen aus dem Auto fühlte ich mich dermatscht, und beim Loslaufen wollten sich meine Füße nicht vom Boden lösen. Es rächte sich, dass ich die Woche davor nicht konsequent meine Faszien bearbeitet habe, vor allem nicht die der Oberschenkel, gewalkt mit dem zylinderförmigen Ende einer 20kg schweren Langhantelstange. Das tut zwar an manchen Stellen höllisch weh, ist aber sehr effektiv.

Als ich mich nach dem Sturz über das Steinchen aufgerappelt hatte, sprach ich mir erstmal Mut zu und gab mir eine Ohrfeige, um in den Trailrunning-Modus zu kommen. Den aber brauchte ich erstmal nicht, denn die ersten 200 Höhenmeter zur Hochkreut lief ich auf Asphalt, bzw. auf der Wiese daneben. Aber schon auf den nächsten 440 Höhenmetern zu den Wendelstein-Almen ging es über gut von der Natur ausgebaute Trails, die zudem leicht zu laufen waren, da nicht allzu steil und kaum verblockt. Das änderte sich kurz nach der Stelle, wo man sich entscheiden muss, ob man die Bocksteinscharte oder über die Zeller Scharte zum Wendelsteinhaus laufen will. Ich entschied mich gar nicht, lief einfach weiter und denke, es war die Bocksteinscharte, denn ab hier musste ich wie ein Bock über Stein und Fels springen.

Den Wendelstein hatte ich auch deshalb gewählt, weil es von Osterhofen nahe Bayrischzell einen Sonnenhang hinauf geht (jetzt, wo ich das schreibe, einen Tag später um 12 Uhr, schneit es am Gipfel bei -1,7 Grad.) Entsprechend klein waren die restlichen Schneefelder und der Matsch im Schatten von Felsen und Fichten. Dafür aber wurde es richtig steil und mir ein wenig mulmig bei dem Gedanken, hier wieder hinunter zu müssen - nach dem tollen Start!

Erstmal aber landete ich auf der nahezu verwaisten Sonnenterrasse des Wendelsteinhauses unterhalb der Aussichtskanzel „Gacher Blick“, wo ein kalter Wind pfiff. Da ich dachte, das Wendelsteinhaus wäre geschlossen, wechselte ich meine Shirts im Freien und zog meine Windjacke an. Es ging noch ein Stück hoch zu dem wunderbar verbauten Gipfel, wo das Gipfelkreuz Verstecken mit einem spielt, dafür aber ein riesiger Rot-Weißer Sendemast des Bayerischen Rundfunks unübersehbar in den Himmel ragt, neben dem Observatorium - wenn schon hässliche Verbauung, dann ordentlich. Um das alles bestaunen zu können, muss man nicht unbedingt die letzten 100 Höhenmeter vom Wendelsteinhaus und -kircherl aus ganz hinauf.

Ich aber musste und begab mich auf die Spuren meiner Kindheit. Der Wendelstein war mein erster Gipfel. Los ging's mit einem Sprung über eine hüfthohe geschlossene Eisentüre mit der Aufschrift "Durchgang verboten". Alle waren sie hier drüber geklettet, jedenfalls die paar wenigen, die heute hier oben waren. Ein gut gesicherter Spazierweg führt in vielen Serpetinen die steile Felswand hinauf, und ich fragte mich, wie es den meisten, auch mir, hier ginge, wenn es kein Geländer gäbe. Beim Hinunterschauen hätte ich mich fest mit dem Rücken an den Felsen gelehnt, den Schwanz eingezogen und wäre auf allen Vieren um so manche Kurve gekrochen. So aber ging es flott dahin und ich landete einmal mehr auf einer Plattform - die Zugspitze lässt grüßen. So hässlich es auch hier oben ist, der Ausblick Mitte November war fantastisch, vor allem der in die Ferne.

Die schon tief stehende Sonne lehnte ihre Strahlen auf die weißen Flanken der Dreitausender und setzte sie in wunderbares Licht - Wunderlicht.

Mich fror, also machte ich mich auf den Rückweg. Zudem wurde es Zeit, einen Teil der Flüssigkeit, die ich aufgenommen hatte, wieder loszuwerden, und weil ich geradenoch so im Vorbeihuschen am Wendelsteinhaus WC in Lila Schrift las, drückte ich mehr oder weniger neugierig die Klinke. Siehe da, es war doch offen. Und drinnen gemütlich warm. Kaum saß ich am Boden, kam ein weiterer Trailrunner herein und setzte sich zu mir. Seit zehn Jahren war er nicht mehr hier, obwohl er gleich um die Ecke wohnt, und ist es heute nur deshalb, weil sich der Tag anbot aufgrund der Seilbahn-Revisionen. Ein Bruder im Geiste. Er zog sich warm an für oben, und ich entledigte mich meiner Windjacke in der Hoffnung, dass es im Lee des Berges wieder warm werden würde. Es wurde. Mit der Wärme in den Gliedern stellte sich auch die Lockerheit ein, die notwenig ist, um sicher bergab springen, sausen und steigen zu können. Das war gut so, denn erstmal ging es steil hinunter auf einem ruppigen schmalen Pfad, wo Entspanntheit und Konzentration das 1x1 des Trailrunners ist, damit er so leichtfüßig wie möglich in ganz kurzen Schritten hinuntertänzeln kann.

Immer wieder werde ich von Wanderern gefragt, ob das nicht auf die Knie geht. Nein, geht es nicht, antworte ich. Da ich überwiegend über den Vorfuß laufe, wird die Aufprall-Energie vom Oberschenkel aufgenommen, von regenerierbarem Gewebe.

Ab den Wendelsteinhütten, und darauf hatte ich mich schon beim Hochlaufen gefreut, ging es fröhlich und beschwingt weiter hinunter, vielleicht das letzte Mal bei Wärme und guter Fernsicht, jedenfalls freute ich mich, dass noch einer ging, einer ganz hinauf.

Wie schon auf der Fahrt hierher, so waren auch auf der Heimfahrt nur wenige Autos unterwegs - die Tage der Bahn-Revisionen!

Bis zum nächsten Mal.
In the meantime: Primordial - The gathering wilderness (good quality)

Trailrunning am Wendelstein - 15.11.14

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Wendelstein - Trailrunning - Südhang 15. Nov. 2014


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