Trailrunning - Kramer - 26.7.15

Winni Mühlbauer - Trailrunning - 26.7.15 Überschreitung Kramerspitz


26.7.15
Genuss-O-Meter
Winni

Am heutigen Sonntag wollte ich eigentlich nach Ehrwald fahren und dort den Halbmarathon im Rahmen der Zugspitz-Challenge laufen. 22km und 1030hm. Der Wetterbericht für diesen Tag wurde immer besser. Kein Regen und nicht zu warm. Auf dem Weg nach Ehrwald liegt aber ein Berg, den ich mir schon lange vorknöpfen wollte. Wobei ... vorknöpfen ist nicht der passende Ausdruck, denn: der Kramer hat es in sich. Auf den läuft man mit Respekt, auch mit Respekt vor der Tiefe, an einem Tag, an dem es nicht zu heiß ist und die Pfade trocken sind; der Kramersteig zieht sich. Es geht rauf und runter mit viel Kraxelei und im Gipfelbereich an einigen Stellen ausgesetzt. Das heißt, dass man selbst beim Wandern trittsicher und schwindelfrei sein muss. Also eher nichts für mich.

Nur: er wollte und wollte nicht aus meinem Kopf. Dazu fand ich, dass ich dieses ideale Bergwetter nicht für einen sicherlich netten Trail bei Ehrwald verplempern sollte. Also wägte ich ab: Was will ich: Gehetze oder Genuss? Die Antwort kam schnell und war eindeutig.

So erfand ich an diesem Tag das Genuss-O-Meter und erkannte, dass mich Wettkämpfe nicht mehr interessieren.

Gemütlich stand ich auf, gemütlich fuhr ich nach GAP. Parkte nahe der Windbeutelalm und lief gemütlich los. Ein kurzes Stück den Kramerplateauweg entlang bis zu einer Abzweigung nach links mit dem Wegweiser Sankt Martinshütte. Dort beginnt ein Fahrtweg. Gemütlich laufe ich hoch zum Grasberg, auf der die Bergaststätte St. Martin (1028m) liegt. Hier hört der breite Forstweg endlich auf, der Trail beginnt. Es wird deutlich steiler, dennoch ist der Pfad meist laufbar. Ein paar Serpentinen höher erreiche ich auf 1300m die Felskanzel, eine kleine frei hängende Aussichtsplattform aus Stahl mit fantastischen Blick hinunter und auf die Zugspitze gegenüber. Weiter geht's und bald stoppe ich am Abzweiger zum Königstand (1453m). Diese zwei Kilometer hin und zurück nehme ich mit. Ziemlich eben geht es zunächst auf diesem Höhenweg über einen glattgeschleckten Singeltrail dahin, bevor er anfängt, welliger und holpriger zu werden. In wenigen Minuten erreiche ich den Königstand, eine vorgelagerte Schulter des Kramer-Massivs, und schaue hinunter nach Eschenlohe in das Loisachtal, vor allem hinüber auf das Estergebirge, das mir bisher nicht wirklich aufgefallen ist. Heute aber, auf der Fahrt nach Garmisch-Partenkirchen flöste mir der Blick hoch zur Hohe Kisten mächtig Respekt ein. Da hinauf soll es in den nächsten Wochen auch noch gehen - na sauber!

Heute aber ist der Kramer dran. Zürück am Abzweiger ist es vorbei mit der Gemütlichkeit. Steil geht's hinauf auf dem teilweise ausgewaschenen Bergpfad, der mich auf etwa 1800m auf den Kramersteig bringt. Dieser Gratweg führt in vielen kleineren An- und Abstiegen durch Latschen und Schrofengelände, das an manchen Stellen drahtseilversichert ist, erstmal zu einem Vorgipfel, dem Katzenkopf (1817m). Auf ihm hat sich eine italienische Wandergruppe eingenistet, junge Burschen und Madln, die es sich auf dem wenige Quadratmeter großen Buckel erstaunlich schweigsam gut gehen lassen. Der Katzenkopf ist ein Gipfel, den es eigentlich nicht gibt. Die Einheimischen nennen ihn so, oder auch Kramer-Nordgipfel. Seine Überschreitung jedenfalls ist spannend und liegt quasi auf dem Weg. Den Einstieg allerdings muss man finden. >>>An anderer Stelle las ich: "Dreimal bin ich auf dem linken Pfad am Einstieg vorbeigegangen, da dieser von unten nicht ersichtlich ist. Man muss einfach ein wenig suchen".

Auch ich finde hier noch mein Plätzchen und brauche jetzt erstmal mein Fläschchen. Gefüllt ist es knapp zur Hälfte mit Haferschmelzflocken. Ich stecke den Schlauch der Trinkblase hinein, fülle es mit Apfelschorle zu etwa 3/4 auf, schüttle es und blicke hinüber auf die steile Flanke des Nebengipfels. Auf dem Weg dorthin und entlang der Flanke sollte ich mir besser keinen Stolperer erlauben. Also rein mit den Kohlenhydraten, noch ein bisschen warten, den Blick auf die wunderbaren Berge ringsum genießen - und dann los, gemütlich!

Steil geht's die Nordseite des Katzenkopfs hinunter zu einer Scharte. Der Steig hängt ein wenig und ist teilweise grobsandig. Bei den Kletterpassagen über Schrofen sind mir meine Söcke im Weg. Dann aber helfen sie mir auch wieder. Nur verheddern darf ich mich nicht. Alles will geübt sein, und so liegt dieser schmale geröllige Steig unterhalb des felsigen Bollwerks bald hinter mir. Und irgendwie war es dann beim Blick zurück sogar schee. Endlich kann ich jetzt auch wieder laufen. Ich folge dem Kammverlauf, laufe über die grasbewachsene Rückseite dieses Nebengipfels nahe der Kante entlang und erreiche nach einem steilen und steinigen Pfad den Kramergipfel (1985m). Ich mache mich lang, nutzt aber nichts, die 2000m erreiche ich einfach nicht.

Da steht ein Bankerl direkt unterhalb des schönen Gipfelkreuzes, das ich leider vergessen habe, zu fotografieren :-(. Vielleicht, weil ich ein wenig fassungslos war. Sitzt doch auf dem Bankerl eine junge Dame, hat neben sich eine halbgeleerte Colaflasche stehen und mampft aus einer großen Tüte, die sie wie einen Burger mit zwei Händen festhält, Kartoffelchips! Man made food! Ja lecker! Nun, sie wird's wohl gebraucht haben, jeder darf sich auf seine Weise stärken. Ich leere erstmal den Rest aus meinem Fläschchen. Dann fülle ich aus einem Tablettenröhrchen frischen Hafer nach, gebe Apfelschorle dazu und trinke nochmal 250ml. Das sollte für die nächste Stunde reichen.

Ich mache mich auf die zweite Hälfte dieser Runde, die mit der Überschreitung des Kramers beginnt. Gleich zu Beginn geht es steil einen schottrigen Pfad hinunter, der bald nicht mehr zu sehen ist. Hätte ich vorher schon die Stahlseile gesehen, wäre mir vielleicht nicht mulmig geworden; wenn ich mich wo festhalten kann, geht's mir gut. Mit den Radlhandschuhen geht es am Seil rasch hinunter. Danach quere ich eine weitere ausgesetzte Stelle, aber nicht lange, und der Weg wird flacher. Endlich kann ich wieder laufen, wenn auch langsam. Besser gesagt, gemütlich, denn immer noch ist die Aussicht eine wahre Wonne. Die aber kann und sollte man nur genießen, wenn man stehen bleibt. Beinahe endlos laufe ich auf dem technisch nicht leichten Kramersteig westwärts über Stock und Stein auf diesem latschenbewachsenen Hang. Ich treffe auf Schafe, springe über deren Hinterlassenschaften und erreiche den steilen Wiesenhang hinunter zur Stepbergalm, den ich innerlich jodelnd hinunterdüse. Es gab kein Entrinnen: das raffiniert ausgelegte Fangnetz für frei herumlaufende Wanderer, Zäune und Drähte um diese Alm herum, lies mir keinen anderen Weg als den über die Sonnenterasse, die voll besetzt war. Sind Trailrunner denn immer noch Exoten? Den Eindruck gewann ich, als mich die Gäste beäugten wie einen Außerirdischen. Ich schlich mich durch die Reihen, ging hinter die Alm und füllte aus dem Brunnen mit der Tafel "Kein Trinkwasser" Trinkwasser nach. Um genug dabei zu haben für das vielleicht schönste Teilstück dieser Runde: Der Trail hinunter über das "Gelbe Gwänd".

Ziemlich steil geht es anfangs hinein in den Wald, bald aber wird dieser sich talwärts schlängelnde Trail flacher und zum Laufen richtig flowig. Dem wird aber mit Erreichen des Gelben Gwänds ein jähes Ende gesetzt. Hoch ragen die Felsen in dieser Schlucht auf, das Gelände ist sehr steil. In engen Serpentinen führt der schmale Pfad an den Felswänden entlang talwärts. Es geht über Stufen, und wieder sind an den gefährlichen Stellen Stahlseile angebracht. Nur leider dort nicht, wo in der Kurve große Stücke herausgebrochen sind.

Einmal mehr wird mir bewußt, wie genussvoll Trailrunning sein kann, wenn man Zeit hat, innezuhalten. Erst der Blick von oben in die Tiefe, dann der Blick zurück, mit stets wechselnden Gefühlen.

Von der Stepbergalm bis zum Parkplatz wurde eine Wanderzeit von 2 1/2 Stunden genannt. Diese Schlucht könnte so im ersten Drittel der Strecke liegen. Der weitere Verlauf dieses fantastischen Trails wird wurzeliger, souliger ... ich fühle mich gut ... auch im Kopf, und so geht es flott dahin. Die Uhr sagt mir, dass ich jetzt bald 6 Stunden unterwegs sein werde. Gelaufen aber bin ich sicherlich nicht mehr als 4 Stunden. Am Auto angekommen liegen 19,7km und 1350hm hinter mir. Hinter mir liegt auch mein geliebtes Sommer-Shirt in Wasabi-Grün von Thoni Mara, dass ich auf dem Weg nach oben verloren habe. Am Buckel vor dem Gipfel hatte ich leider viel zu spät festgestellt, dass ich den Reißverschluß meiner Trinkweste nicht geschlossen hatte. Zu meiner größten Freude gab es diese Farbe noch, und am Dienstag schon überreichte mir der Postbote das Päckchen.

Wie lautete doch gleich meine Überschrift? Genau!

Auf dem Genuss-O-Meter für das Trailrunning am Kramer vergebe ich 8 von 10 möglichen Punkten. Wäre es eine Wanderung gewesen, hätte ich 10 Punkte vergeben. 2016 war ich dann mit Christian nochmal am Kramer unterwegs.

Bis zum nächsten Mal.
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