Winter Trailrunning: Seeberg Umrundung

Winni Mühlbauer - Wintertrailrunning Seeberg Umrundung am 7.12.17


07.12.17
Wenn Bergwichtel auf Fichtenspitzen sitzen

Winni

Wenn schon eiskalte Füße und rote Nasenspitze, dann in einem Wintermärchen. So hatte ich es mir ausgemalt, so ist es gekommen. Fein! Ende Oktober war ich schon hier und wusste, ich werde bei Schnee wiederkommen.

Auch wenn ich 3,00 Euro für den Parkplatz berappen muss, ich stelle meine Kiste wieder in Osterhofen an der Talstation der Wendelsteinbahn ab. Und hoffe, mich bei Rückkehr in der Sonne umziehen zu können. Gehofft habe ich auch, dass gestern, am ersten sonnigen Tag, wenigstens ein paar Wanderer von hier aus hoch zum Wendelstein sind und gespurt haben, da ich nach Bayrischzell wieder den Weg über die Hochkreuth nehme. Denkste! Kurz nach dem Bahnhof der BOB stapfe ich schon im Tiefpulver dahin, und nach der Teerstraße zur Hochkreuth gleich nochmal und noch tiefer. Immerhin habe ich heute in meinen mit Spikes gespickten und Membran gefütterten Traillaufschuhen meine wind- und wasserdichten Socken an. Die Gamaschen sind im Rucksack verstaut. Und bleiben da auch, weil ich a) zu faul bin, sie mir unterwegs anzulegen, b) testen möchte, ob es auch ohne geht. Ja geht, der Schnee, der in die Schuhe rutscht, macht zwar die Socken naß und die Füße kalt, aber innen bleiben die Socken trocken.

Nach 4km erreiche ich Bayrischzell, nachdem ich zuvor den tollen Trail durch den Wald hinunter gelaufen war und auch wieder beim Wasserfall vorbeigeschaut hatte. Die andere Seite der Bundesstraße erreiche ich durch einen Fußgängertunnel. Wenige Meter weiter beginne ich den Aufstieg zum Seeberg. Auch hier hoffte ich, dass tags zuvor ein paar Wanderer auf dem Bayrischzeller Höhenweg, der über diesen Berg führt, unterwegs waren und gespurt haben. Allzuviele dürften es nicht gewesen sein, oft ist auch durch Verwehungen alles wieder zu. Einem frischen Schuhabdruck allerdings kann ich folgen, von der Größe her dürfte es ein Damenwanderstiefel sein.

War die Kälte auf der sonnenbeschienenen Seite unterhalb des Wendelsteins erträglich, ist es jetzt auf der anderen Seite eisig kalt. Gut, dass dieser Anstieg nicht allzu steil ist und sich trotz Schneeteppich relativ gut laufen läßt. Langsam ziehe ich mich die Serpentinen im Mischwald nach oben. Ich erinnere die wenigen markanten Punkte wie den Ausblick zum Wendelstein hinüber und freue mich auf den Moment, wo ich von der Nordseite auf die Süd-Ost-Seite komme und von der Sonne geblendet sein werde. Schon jetzt spüre ich meine Zehen kaum noch. Erstmal aber bin ich noch im Bergwald unterwegs. Wusch! Eine Ladung Schnee landet auf meinem Kopf. Ich schüttle mich und laufe weiter. Wusch! Erneut eine volle Ladung auf den Kopf. Ich schaue nach oben. Nichts zu sehen. Ich gebe Gas. Wusch! Diesmal hat es meinen Trinkrucksack getroffen. Nix wie weg hier!

Wenig später ist es endlich soweit, ich komme langsam auf die Südseite und die Sonne lugt durch den Wald. So frech wie die Bergwichtel sind, so raffiniert sind sie: Sitzt doch da einer oben auf einer jungen Fichte, genau dort, wo ich ihn nicht sehen kann, weil da die Sonne steht, und hat unter sich ein großes weißes Wurfgeschoss. Ich zücke meine Kamera und mache zwei Beweisfotos (Nr. 16 und Startbild). Dann laufe ich weiter und zeige ihm den Stinkefinger. Hat gewirkt, ich bleibe unbehelligt, auch auf dem Rest meiner märchenhaften Runde.

Raus aus dem Wald und hinein in die Sonne, weiß und rein der Pulverschnee um mich herum. Unter tiefblauem Himmel atme ich kalte Luft, amte ein, atme aus, freue mich über die tiefen Spur, die sich durch den Schnee windet. Ich bin glücklich. Und dankbar, hier und heute in diesem Moment diesem Schneetrail folgen zu können und locker und leicht in Richtung Neuhütte zu laufen. Auch die frischen Trittspuren sind noch da. Noch bevor es ein weiteres Mal in den Wald hineingeht, habe ich die Dame eingeholt, die langsam und gleichmäßig, Schritt für Schritt mit großem Rucksack durch den Schnee stapft, einem weiblichen Nikolaus gleich mit ihren langen buschigen Haaren. Ich bin gerne Ihren Spuren gefolgt, sage ich ihr, und bedanke mich. Nach 7,5km spuckt mich der Wald wieder aus und ich schaue mir die Umgebung an, da ich von 40 Grad geneigten Hängen las. Was mich daran erinnerte, mal beim Lawinenwarndienst Bayern vorbeizuschauen.

Hat mir das Laufen hier im offenen Gelände in Richtung Neuhütte (1232m) im Oktober schon gefallen - den Dürrmiesing, die Rotwand und die Ruchenköpfe im Blick -, so ist es bei dieser Schneepracht doppelt so schön. Der reale Himmel, der sich stahlblau aus dem Weiß erhebt und das gleißende Licht sind genauso Teil dieses Wintermärchens, wie die halluzinierten Bergwichtel. Und alles sind Teile bei meinen Läufen auf Pfaden, werden Teile meiner Erinnerungen, die ich in diesem Blog festhalte.

Ein wenig getrödelt muss ich dann doch haben, denn auch die Wanderin mit den kleinen Schuhen kommt tapfer dahergestapft. Sie will hier in der Sonne bleiben, während ich gucke, ob es Spuren hoch zur Seebergalm gibt. Spuren ja, aber keinen Pfad. Immerhin sind es Abdrücke von zwei Paar Schuhen. Mit dem Laufen ist es leider erstmal vorbei. Der Anstieg ist zunächst steil, dann wird der Schnee immer tiefer. Landschaftlich ist es ein Hochgenuß, auch der Blick hinunter ins Ursprungstal. Da fällt mir ein, dass ich wieder nicht am Aussichtspunkt neben dem Stein "Auf der Wacht" war. Mal hüpfend, mal stapfend geht es voran, die Hänge im Blick. Nach 8,5km erreiche ich die kleine Alm unterhalb des Seebergs. Zwei Rucksäcke liegen hier und sonnen sich. Von den Trägern keine Spur. Doch, Spuren in Richtung Gipfel. Den erspare ich mir heute, sieht nach noch tieferem Gestapfe aus.

Ich packe meinen Hafertrunk mit geheimen Zutaten aus, stelle mich auf die Steinstufe vor der Eingangstür. Der einzige Platz, wo ich meine Schuhe wärmen kann, in der Hoffung, meine schockgefrosteten Zehen wenigstens ein bisschen auftauen zu können. Bald höre ich Stimmen. Ein junges Paar kommt um die Ecke. Und erzählt, dass sie hoch zum Gipfel teilweise hüfthoch im Schnee gesteckt waren, dies aber auch Spaß gemacht hat. Beide hatten wasserdichte Überhosen an. Wie ich wollten auch sie von hier aus den steilen Pfad nehmen, der direkt hinunter zum Wirtschaftsweg geht und im weiteren Verlauf zur Klareralm führt. Aber es gibt keine Spur, die Orientierung dürfte schwer sein. Ich verwerfe diese Idee und laufe so, wie ich hochgekommen bin, wieder hinunter zur Neuhütte. Und ja ich laufe, nein ich springe durch den pulvrigen Schnee, fliege in langen Schritten hinunter, wirble Schnee auf und komme fast außer Puste. Eine Riesengaudi! Finden meine kalten Zehen aber nicht. Angekommen gehe ich zum Stein "An der Wacht" und blicke hinunter ins Ursprungstal, auf die Straße, die Richtung Tirol mäandert.

Hinter der Neuhütte beginnt der Wirtschaftsweg als Teil des Bayrischzeller Höhenwegs. Die Schneedecke gleicht einem griechischen Flokati, nicht so kuschelig, dennoch traumhaft weich. Frische Spuren gibt es keine, braucht es auch nicht. Das Ding ist gut zu rocken. In langen Schritten laufe ich den leicht abfallenden Weg hinunter, lande soft und mache Kilometer. Eine Riesenriesengaudi! Die Muskulatur wird endlich warm, meine Zehen leider nicht. Die warme Muskulatur schützt mich vor Verletzungen durch die exzentrische Kontraktion, Dehnung des Muskels beim Flug und Beschleunigung nach dem Landen. Nahe der Klareralm ist die Sonne weg und es ist wieder kalt. Dort geht es flach dahin bis zum Abzweiger. Wenig später laufe ich auf leichtem Gefälle weiter bergab. Auf halbem Weg dann zwei breite Reifenspuren. Heute freuen sie mich weniger. Immerhin helfen mir die Spikes, in der Spur zu bleiben.

Nach ca. 14km komme ich unten an und laufe entlang des Alpbachs zur Bundesstraße. Feiner Nebel legt sich über das Tal und bereift Bäume und Sträucher. Das Licht der Sonne wandert auf der gegenüberliegenden Seite immer schneller die Hänge hinauf. Verschwitzt ziehe ich mich am Auto bei -4 Grad um. Sonne um 15 Uhr im Dezember in einem Tal ... Winni, du Träumer! Es dauert noch eine ganze Stunde, bis ich meine Zehen wieder bewegen kann. Jetzt habe ich Wärmepads für Füße gekauft und freue mich auf das nächste Märchen. Dieses hier war 16,7km lang und ging über 980 Höhenmeter.

Bis bald:
In the meantime: Insomnium - Winter's Gate(Pt.2)

Die Laufschrittmacher in einem Filmchen: Winter-Trailrunning um den Seeberg bei Bayrischzell



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