Trailrunning - Simetsberg - Estergebirge

Winni Mühlbauer - Trailrunning - Simetsberg 30.12.16


30.12.16
Jahresauslauf
Winni

Die Kesselbergstraße hoch, links dann der Walchensee, rechts die Herzogstandbahn. Der Parkplatz, wie schon der zum Jochberg (schneefrei), ziemlich voll. Kein Wunder, es ist traumhaft schön, und die oberen Luftschichten sind wärmer als die unteren. Schneefallgrenze 2000m. Klingt verheißungsvoll. Lange geplant der Simetsberg (1840m), für den es oben im Sommer zu heiß ist. Ich fahre weiter den See entlang nach Einsiedl und erreiche dahinter in Obernach rechts über eine schmale Holzbrücke den schattigen Parkplatz - eine Eisplatte. Ha! Wie geschaffen für meine neuen Wintertraillaufschuhe mit Spikes, an Weihnachten ausgepackt. Ums Auto herum spazieren geht schon mal gut. Warm wird es mir dadurch aber nicht. Es hat - 4,5 Grad.

Ich laufe los in südliche Richtung und erreiche bald eine breite Forstpiste, feiner herausgeputz als die Wege im Englischen Garten. Da kann man runter volle Pulle rennen. Erstmal aber geht es hinauf, angenehm ansteigend und schon in der Sonne. Die Handschuhe und meine Jacke habe ich wieder verstaut. In meinem Wanderführer steht, "dass man die Abzweigung, ca. 1100m, nicht verpassen soll", die rechts spitzwinkelig abgeht. Ein Schild soll da auch sein. Nach 2000m immer noch kein Abzweiger. Dann kommt er, hat aber kein Schild. Wurscht, ich laufe hoch. Bald wird der Pfad immer wilder und sieht unbegangen aus. Also zurück. (Auf dem Rückweg treffe ich das junge Pärchen, mit dem ich am Parkplatz gemeinsam los bin. Gefragt, ob sie sich verlaufen haben, weil sie jetzt erst hochkommen, meinte das Mädel, ja, wir haben den falschen Abzweiger erwischt und uns dann bis zur Forststraße hochgekämpft; Zeitverlust 1 Stunde.)

Der Abzweiger mit Schild kommt dann nach 2,75km. Liebe Leute vom Bergverlag Rother: Wenn ihr euch schon die Infos von Dritten holt, dann schreibt doch bitte richtig ab: Hier steht es richtig: Nach ca. 1h auf ca. 1100hm geht ein nicht sehr gut markierter Pfad rechts von der Forststraße ab (beschildert Schild am Baum im (!) Wald). Diesem folgen wir. (Vorsicht: Wenige Minuten davor geht auch ein Weg rechts ab, (ohne Schild, kein Wald) diesen ignorieren). Ziemlich steil führt der wurzelige und mit Felsen durchsetzte Pfad nach oben auf einen Bergrücken. Ich lande auf einem Friedhof der Bäume. Ein Sturm muss hier vor Jahren gewütet haben; ein trauriger Anblick. Da mag auch der feine Ausblick auf den Walchensee nicht richtig Freude machen. Drüben der Jochberg und die Benediktenwand, beide schneefrei. Und immer wieder der Schafreuter mit breiter Brust.

Ich laufe weiter den trockenen Trail hoch und denke, dass ich mir mit der heutigen Schuhwahl keinen Gefallen getan habe. Mit Spikes über trockene Pfade, die häufig mit Steinblöcken gespickt sind!? Wie wird das beim Runterlaufen werden? Dieser Trail hoch ist eine Abkürzung und trifft wieder auf die Forstpiste. Statt geradeaus weiter in den Wald hineinzulaufen, verführt mich der schnee- und eisbedeckte Forstweg zu einem Sprint darüber hinweg, leicht bergab, immer weiter und weiter. Jetzt ist der Schuh in seinem Element. Dann entdecke ich, dass ich hier keine anderen Spuren entdeckt habe. Ich drehe mich um. Etwas entrückt erstreckt sich der Simetsbergs. Also zurück. Wie schön, kann ich zwei Kilometer mehr auf meinem Konto verbuchen. Bei den gelben Schildern geht es rechts hinauf weiter, sieht aber aus wie ein trockenes Bachbett. Ich gucke links und rechts, kann aber keinen Pfad sehen. Also ab über's Geröll, hin und wieder rechts daneben. Es ist wieder schattig und kalt. Keine 50 Höhenmeter weiter, und ich lande im Winter. Der Pfad ist eisig, schneebedeckt und wenig gespurt, zudem führen verschiedene Spuren durch das lichte Wäldchen in diesem Graben hinauf. Schön ist es hier, und sehr romantisch. Meinen Schuhen gefällt das alles auch. Oben aber, auf der sonnigen Hochebene, werden sie wahrscheinlich ihre Mundwinkel wieder nach unten ziehen. Ich befürchte, dass es dort sehr batzig sein wird.

Es wird heller. Über mir die kleine Versorgungshütte vor blauem Himmel. Und dann? Überraschung! Ein Sonnenhang mit Schnee. Wo gibt'sn sowas? Ringsherum unter 2000hm kein Schnee. Hier aber, auf dem Sonnenhang, wo es im Sommer ungewöhnlich heiß sein soll, Schnee. Und Batz. Langsam laufe ich weiter, bleibe immer wieder stehen, staune ob der Bergwelt um mich herum. Drüben die höchste Erhebung des Estergebirges, der Krottenkopf (2086m), daneben der Bischof und die Hohe Kisten. Zu Füßen des Karwendels Mittenwald. Etwas näher Wallgau und Krün. Der Pfad wird immer steiler, zuletzt geht es durch eine kurze sehr enge und batzige Latschengasse zum schmalen Gipfel hoch. Ein anderer Blick tut sich auf: runter zum stahlblauen Walchensee, über dem der Herzogstand thront. Sieht ziemlich schneefrei aus. Auch der Grat hinüber zum Heimgarten. Allein der Aussicht wegen lohnt sich der frei stehende Simetsberg, dessen Trails leider wenig Flow zulassen, dafür aber spannend sind.

Leicht weht der Wind, auch ist es kühler als vor einer Woche im Karewendel, dennoch lädt die Sonne ein, länger zu verweilen. Zu verweilen, um am Jahresende auch dankbar zu sein. Dankbar für die vielen tollen und herausfordernden Läufe in den Bergen, viele mit Christian, mit dem es doppelt so viel Spaß gemacht hat, dankbar für ein jeweils gesundes Ankommen im Tal nach tausenden von Metern auf hakeligen und oftmals mehr oder weniger ausgesetzten Pfaden, und dankbar, dass meine alten Knochen das alles mitmachen. Da sitze ich unter dem Kreuz, das Universum über mir, dem ich ebenso danke, während ich genüsslich meinen Energieriegel knabber und dazu Hafermilch trinke. Das Fläschchen stelle ich zum Fotografieren an die Blechbox mit dem Gipfelbuch, das eine kleine Kirche darstellt; und mache dabei ein Foto, wo ich erst zu Hause entdecke, welch Skurrilität es hat. Zu sehr war ich auf die kleine Kirche aus Blech fixiert.

Irgendwann muss ich doch wieder runter, das neue Jahr wartet. Und der erste Flieger. Gleich oben in der engen Latschengasse falle ich einer Frau zu Füßen, die mich vorbei lassen wollte. Es war nicht Schnee oder Eis, sondern Batz. Ein wenig übermütig und an die winterlichen Verhältnisse noch nicht angepasst, zieht es mir ein paar hundert Meter weiter wieder die Füße weg, und der Allerwerteste muss es nochmal ausbaden. Und weil aller guten Dinge ... diesmal drifte ich seitwärts weg und lande mit dem Bauch auf der schneebedeckten Wiese. Weil weitere Landungen hier auf diesem Hang eher sanft ausfallen sollten und ich übermütig bleiben will, verweigere ich ein langsameres Tempo, dreckig bin ich eh schon. Ich erreiche die kleine Hütte, verabschiede mich vom Übermut und laufe wieder hinein in den Wald mit einigen steilen steinigen und eisigen Passagen - der Schuh mit den Spikes, deren Spitzen aus Carbon sind, packt hier richtig zu. Skeptisch bin ich noch, wenn es mit den Spikes über glatten Fels geht, aber auch hier arbeitet der griffige Gummi gut.

Schräg fällt die Sonne auf den Friedhof der Bäume, strohtrocken wiegen sich lange Gräser im Wind, der heute kaum zu spüren war. Ich erreiche die Forstpiste. Der geleckte Untergrund und das sanfte Gefälle erlauben es, richtig Gas zu geben, da ein Überpacen mit Kontrollverlust hier kaum möglich ist. Auf halben Weg hinunter, es ist kurz nach 15:00 Uhr und das Brennen in den Oberschenkel wird intensiver, kommt mir ein Trailrunner entgegen. Gefragt, wo er hin will, antwortet er kurz, auf den Simetsberg. Ich denke mir noch, da bist du aber früh dran. Kaum gedacht, vollendet er seinen Satz (Christian: bitte weghören, sonst kommst du mir noch auf dumme Gedanken ;-): "Ich bin über den Herzogstand (1731m) und Heimgarten (1790m) gelaufen und dann hierüber. Tolle Leistung, Hut ab! Zum Grat befragt antwortete er, dass er zwar ein paar eisige Stellen hatte, aber sonst gut zu laufen war. Spikes hatte er keine.

Je weiter ich runter laufe, desto kälter wird es, richtig kalt aber ist es erst wieder auf dem Parkplatz. Ich schaue auf meine Uhr: Mit dem kleinen Umweg war ich 14,4km und 1.100hm unterwegs. Schöner kann ich mir eine Jahresausklang nicht vorstellen.

2017 geht's weiter.

Bis zum nächsten Mal.
In the meantime: HammerFall - Stone Cold



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Panorama vom Simetsberg

Blick kurz unterhalb vom Gipfel


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