Trailrunning: Achensee - Seebergspitze

Winni Mühlbauer - Trailrunning - Achensee Seebergspitze - 15.11.18


15.11.18
Nochmal ausgebüxt
Winni

Inversionswetterlage. Ein TV-Wetterfrosch sagt, unterhalb 800m feuchte und kalte Luft, darüber trockene Luft und warm. Der Achensee liegt auf 929m. Bingo! Noch ein kurzer Blick auf die Webcam, und schon sitze ich im Auto. Einen Tag später sieht es dort um 11 Uhr so aus. Was habe ich doch Glück! Verdient, war doch meine letzte Runde am Geierstein eher ein Pleitegeier.

München Suppe. Erst in Rottach-Egern blinzelt die Sonne durch den Hochnebel. Am Achenpass schon blauer Himmel. Achenkirch Süd raus, vorbei am Fischerwirt und schon biege ich auf den Wanderparkplatz (960m) beim Oberautal ein. Mein Ziel, die Seebergspitze (2085m). Vor mir liegen 1230hm im An- und Abstieg auf insgesamt 16,5km. Diesmal keine Runde, um sicher planen zu können. Weiß ich, wie lange ich hin brauche und kenne den Weg, weiß ich, wann ich wieder beim Auto bin. Geplant: 16:30 Uhr. Am Parkplatz ist es warm, wenig weiter im Wald finde ich mich im Eisschrank wieder. Die leichteste Route auf die Seebergspitze ist der steile Pfad den Westgrat hinauf. Den erreicht man vom Pasillsattel aus. Der wiederum ist von Pertisau oder Achenkirch aus zu erreichen. Ich habe mich für den längeren Anstieg von Achenkirch aus entschieden, der mich unterhalb der Seekarspitze vorbei führen wird. Nachteil heute: Schatten und saukalt. Ein erster Test für den nahenden Winter.

Gleich nach dem Parkplatz die ersten Wandertafeln - und aufgepasst: Hier der Tafel "Seekarspitze und Seekaralm" folgen und nicht Pasillalm (Forstweg). Es geht also erstmal eben dahin entlang dem Oberaubach. Heute ausgetrocknet. Bald aber beginnt ein schöner Steig durch den Wald, der, auch wenn er steil hinauf geht, schon mal Vorfreude aufs Runterlaufen macht. Jetzt ist das Laub feucht und der erste Raureif lässt grüßen. Mein erstes Ziel ist die Seekaralm (1500m). Kurz unterhalb der Alm laufe ich endlich ein Stück in der Sonne und lande auf der Forststraße. Ich freue mich, auf ein Wanderpärchen zu treffen, die die wärmenden Strahlen sicherlich so genießen wie ich. Wieder die Frage: Zufall oder Fügung, denn bis zum Gipfel treffe ich niemanden mehr, der Fotos von mir machen kann. Ich revanchiere mich gerne, plaudere noch eine Weile mit ihnen, auch über darüber, warum die Unnütze so heißen und dass sie es wert sind, bestiegen zu werden.

Noch ein Stück geht es in der Sonne über eine Abkürzung hinauf zur Alm, und ich lande wieder im Schatten. Hoch über der Alm das Massiv des Seekars. Eine Herausforderung für jene, die auf dem Grat hinüber zur Seebergspitze lustwandeln und dabei in einem Rutsch den Tiefblick zum Achensee genießen wollen. Hier ein kurzes Filmchen auf youtube: Seebergspitze+Seekarspitze,Überschreitung.

Für mich geht es unten herum weiter auf einer Forststraße zur Passilalm (1557m). Hell leuchten der Hohe Kasten und die Hohe Gans, markante Gipfel eines Bergmassivs westlich von mir, das mich eine Weile wie auf eine riesige Leinwand projeziert begleitet. Im leichten Auf und Ab lande ich nach insgesamt 6,5km an der Passilalm, eine Ansammlung von dem Verfall preisgegebenen und neugebauten Almgebäuden. Darüber zum ersten Mal detailreich zu sehen die rauhe Nordseite der Seebergspitze. Die Spannung steigt. Rauf zum Pasillsattel (1680m) wird es steiler und felsiger.

Die mit Raureif überzogenen kargen Almwiesen und nadelfreien Lärchen zaubern im Schatten eine mystische Stimmung, gekrönt von der leuchtenden Seebergspitze darüber.

Rasch liegen die 100hm hinter mir. Am Sattel tauche ich ein in den von Sonnenstrahlen durchfluteten lichten Bergwald. Eine Wandertafel weist mir den Weg: "Seebergspitze", versehen mit einem schwarzen Punkt. Wäre ein 3er-Schwierigkeit, ich las aber von einer 2-er-Wanderung. Jedenfalls ist es die leichteste Route von drei Möglichkeiten. Den Westgrat konnte ich schon mehrfach von unten studieren, sollte schon gehen. Vor mir liegen 400hm auf einem Kilometer. Das ist richtig steil. Nach einer Latschengasse erreiche ich freies schrofiges Gelände.

Schritt für Schritt ziehe ich mich am Grat entlang hoch, bleibe immer wieder stehen und schaue auf die von wuchtig wildem Wetter angefressenen Nordwände, schaue hinunter zur Passilalm und die Berge dahinter, erlebe mich klein und demütig, als Wiedergeborener Wanderer, als einer, der die Berge in jungen Jahren verloren hatte und erst spät wiedergefunden hat, als Trailrunner, der seine Kraft aus diesem Tun in dieser Welt schöpft.

Ich schwitze. Kann mich nicht erinnern, schon mal so steil aufgestiegen zu sein. Kletternderweise durchsteige ich mehrere flache Kamine und kraxel über kleinere Stufen. Wenngleich der Steig nahe der Kante entlang verläuft, ausgesetzt war er bis jetzt nicht. Bald steige ich von der nördlichen auf die südliche Seite. Hier nur noch Felsen. Das Kreuz schon zu sehen. Die Markierungen ausgezeichnet, wie schon den ganzen Weg herauf. Vorbei an einer kurzen exponierten Stelle erreiche ich wenig später den Gipfel - und mit ihm mein Gipfelglück. Wie immer gehe ich sofort ans Kreuz und sehe mich erstmal um. Den Fehler wie am Breitenstein mache ich nicht nochmal, Ankommen ohne zu Gucken. Als Ruhe in meinem Bauch eingekehrt und der Atem ruhig geworden ist, hole ich mir meine Belohnung ab für die Mühe bis jetzt: der Blick hinunter zum Achensee und hinüber ins Rofan. Ich bin dankbar, jetzt, Mitte November in der Sonne bei nahezu Windstille hier oben stehen zu dürfen. Zusammen mit drei anderen und bald darauf einem Münchner, hierhergekommen über den Verbindungsgrat von der Seekarspitze.

Setzen mag ich mich jetzt nicht. Im Stehen trinke ich mein in Wasser gelöstes Hafermehl, angereichert mit BCAA. Dann drehe ich eine kleine Runde auf diesem kleinen Fleck, mache Fotos in alle Richtungen und auch von dort, wo ich hergekommen bin und wieder runter muss. War ein Fehler. Ein Minigrusel stellt sich ein, die Atmung kommt leicht auf Touren. Will dieses Gefühl loswerden. Geht aber nur, wenn ich mich langsam und ruhig an den Abstieg mache. Hat man beim Raufgehen den Blick meist auf den Pfad gerichtet, ist das beim Runtergehen anders. Die Tiefe ist ein ständiger Begleiter. Mit meinen Stöcken beginne ich konzentriert den Abstieg und habe die kritischen Stellen bald hinter mir. Ich wechsle wieder auf die Nordseite, erreiche bald die Latschengasse und freue mich, wildes Vogelgezwitscher aus den Baumkronen über mir zu hören. Soweit immerhin funktionieren meine Ohren noch. Die aber bekommen am Pasillsattel wieder Texas-Rock, Bluegrass und epischen und melodischen Dark-Metal zu hören, wie beispielsweise OMNIUM GATHERUM - Gods Go First.

Frisch aufgetankt laufe ich über die Forststraße zur Seekaralm (Brunnen lief) und dann endlich den rassigen Trail im Bergwald hinunter, in Serpentinen über Wurzeln und Steine, trocken, wie auch das Laub. Einfach fetzig! Ein grandioser Abschluss dieses schönen Tages. Ein schöner Abschluss einer Saison, die mich wieder ein ganzes Stück hat wachsen lassen, jetzt, wo ich wieder solo unterwegs bin. Gewachsen bin ich auch dank Christian, von dem ich in den drei Jahren, wo wir viel gemeinsam unterwegs waren, viel lernen konnte.

Beinahe hätte ich es vergessen: Um 16:25 Uhr war ich wieder beim Auto. Knapp daneben.

Video auf youtube: Why You Should Be Trail Running

Bis zum nächsten Mal
In the meantime: Charlie Robison - Feeling Good

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Blick von der Seebergspitze

Zwischen Seekar- und Passilalm


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