Soiernspitze

Trailrunning - Christian - Soiernspitze 30km-Runde am 28.8.16 - Blick zur Krapfenkarspitze


28.8.16
Steile Karwendelsteige
Christian

Seit über einem Jahr laufen Winni und ich nun schon zusammen, haben in der Zeit tolle und anspruchsvolle Bergläufe gemacht. Nach jedem Lauf habe ich mich immer gefreut, seine Berichte und Bilder hier im Blog anzusehen und nochmal nachzuspüren. Um so mehr ehrt es mich, dass ich jetzt einen Gastbericht im Blog meines Laufpartners und Buchautors beisteuern darf. Zumal es um einen Lauftour geht, die ich alleine unternommen habe: meinen ersten 30er in den Bergen.

Die Berglaufsaison 2016 begann unschön und recht spät. Zum einen dauerte der Winter ewig - den letzten Schnee gab's im Juli. Zum anderen hatte ich mir das rechte Kreuzband überdehnt und musste fein die Füße stillhalten. Ja, Abwarten kann richtig weh tun. Als es dann endlich soweit war, konnte ich es nicht erwarten und wollte die verlorene Zeit und alle verpassten Läufe nachholen. Winni und ich nutzten jeden möglichen Tag, und das Wetter war kontinuierlich unstabil: auf wenige knalltrockene Hitzetage folgten Gewittertage, die man im Gebirge überhaupt nicht brauchen kann. Meistens mussten wir unsere Planungen spontan umstellen. So ging's in den August. Dann prophezeiten die Wetterfrösche ein plötzliches Ende des Hochsommers für die ersten Septembertage. Nix mehr mit kurzen Hosen und leichtem Gepäck an langen Tagen bei warmen Temperaturen bei der Gipfelrast: Torschlusspanik ergriff mich. Mein Berglauf-Saisonziel musste jetzt verwirklicht werden!

Vor ein paar Jahren hatte ich bei Recherchen Trailschnittchens Trailtour: "Plaindlsteig-Soiernspitze-Soiernhaus" gefunden, und bei der Erwähnung "...wohl ruhigste Steig im ganzen Karwendel... " und dem Betrachten der Bilder, lief es mir wohlig über den Rücken. Da wollte ich hin! Allerdings waren damals die 33km samt den Höhenmetern nicht meine Leistungsklasse im Gebirge. Das sollte sich jetzt geändert haben. Der Plaindlsteig ist nur ein Teil der ganzen Trailtour. Der Anteil Forststraße war mir dann doch ein bisschen zu groß und ich modifizierte die Tour, so dass ich direkt nach dem Plaindlsteig in den nächsten Steig einbog, um so zum Jöchel - dem kleinen Sattel unterhalb der Soiernspitze - zu gelangen. Der Brouter sagte nicht schwerer als T2 - sollte also laufbar sein. Von der Soiernspitze sollte es wieder hinab zum Jöchel gehen, dann zur Alm mit den fünf Schreibweisen und über den Jägersteig nach Mittenwald, An- und Anfahrt mit dem Zug, da keine Rundtour.

Der Wanderbus RVO 9596 fährt im Sommer in die Eng und brachte mich verspätet, inklusiver diverser Sozialstudien, zur Oswaldhütte im Rißtal. Das beschriebene "gemütliche Einlaufen" erwies sich gleichmal als anstrengender Wirtschaftsweg bergauf und die Sonne brannte schon ordentlich. Vorausgesagt waren 28°. Obwohl die Karten fortlaufend Wasserstellen im ersten Teil der Tour angezeigt hatten, zog ich es vor, mit prallvoller Trinkblase und Reserve loszulaufen. Demensprechend schwer war der Rucksack.

Ab der Plaindlalm ging dann das Vergnügen los. Ein schmaler Trail zog sich leicht ansteigend am Hang entlang, die Bäume spendeten Halbschatten und das Licht zauberte magische Kringel in den Wald: das ist mein Inbegriff des Waldlaufs. Der Steig läuft jede kleine Schlucht mit aus, und nach jeder Biegung erwartete mich eine neue landschaftliche Überraschung wie in einem Adventskalender: kleine Bäche und Wasserfälle, abgerutschte Pfadstücke oder auch ein neuer Blick auf die Karwendelspitzen. Mein Fokus richtete sich aber auch merklich auf den immer schmaler werdenden Pfad mit den vielen Steinchen drauf, die das Laufen erschwerten. Ich nahm aus jedem Bächlein ein paar Schluck, kühlte mich und genoß das Laufen sehr.

Irgendwann ist der Plaindlsteig leider zu Ende und man schlägt unvermittelt auf einer Forststraße auf. Nur zehn Meter weiter ging meine modifizierte Strecke rechts steil in den Wald. Die Steigung zwang mich zum Gehen und die gefühlten einhundert kurz hintereinander folgenden Serpentinen im dichten Wald ließen die 150 Höhenmeter endlos erscheinen. Ich hoffte auf Laufgelände nach dem Aufstieg, wurde aber arg eingebremst, weil der neue Steig wenig begangen, dementsprechend schmal, verwachsen und schottrig war. Also hieß es immer schön aufpassen und zum "in die Landschaft schauen" fein stehen bleiben. Zudem lag der Steig in der prallen Sonne, und nach einer Weile kam das Gefühl auf, dass ich langsam schon "medium" war. Aber die Ausblicke, die sich dort auftun, sind schon ziemlich beeindruckend. Wie sollte das erst weiter oben werden?! Meine Augen wurden immer größer...

Allerdings wurde das Laufen auch immer schwieriger. Manchmal war es nur noch ein Balancieren auf kippligen Steinen, die als Steinschlag irgendwo mal aus der Wand gefallen waren und sich nun in regelmäßigen Abständen grüppchenweise auf dem Trail langweilten. Zu allem Spaß kam noch ein sehr nasses Rinnsal am unteren Rücken hinzu. Ich kenne das und es bedeutet meistens nichts Gutes. Zweimal schon ist mir die Trinkblase unterwegs undicht geworden. Also Rucksack ausräumen, Trinkblase drücken und sorgfältig mehrmals inspizieren, um ungläubig festzustellen, dass die Trinkblase dicht ist und offensichtlich nur mein Schweiß in Strömen herunter läuft. Aufatmen - ein sich selbst leerendes Wasserreservoir kann ich im Hochgebirge bei den Temperaturen nicht brauchen. Also alles wieder verstaut, schnell in den Riegel gebissen, einen Schluck genommen, ein Foto gemacht und weiter ging's.

Die Ausblicke wurden immer gigantischer: rechts oben die Krapfenspitze, links hinten Wörner und Karwendelspitzen. Im jetzt baumlosen Gelände kann man den Bergpfad - der jetzt seinem Namen alle Ehre macht - weit voraus einsehen. Drüben auf der anderen Talseite sah ich den Schotterweg, den ich schon so oft mit dem Bergradel gefahren bin, als quasi Abschluss der Karwendelrunde, mit dem Spaß der Durchquerung des Zusammenflusses von Fermersbach und Bärnbach. Den faden Schotterweg hinauf zur letzten Alm spare ich mir heute und laufe lieber Karwendelsteige.

Nach einer Steinreiße wurde der Steig grasig, aber nicht besser laufbar, lagen doch überall lose Steine. Die Balanciererei mit dem Rucksack war irgendwie anstrengend, die Landschaft entschädigte aber vollständig. Noch eine Reiße, noch eine Biegung, ein kleiner Anstieg, dann kam hinter einer Ecke die Soiernspitze in Sicht: beeindruckend und auch beeindruckend hoch. Noch einen Talkessel auslaufen, an einem Latschensaum vorbei und immer die nächsten Kilometer voraus im Blick. Vorbei am Abzweig zum Soiernhaus kommt die nächste Ecke und gibt den Blick aufs Jöchel frei. Der Weg dahin - schmal und steinig. Langsam zwickte der Rücken. Ich sollte mehr Rumpfstabi machen.

Der Blick vom Jöchel zum Gipfelaufbau der Soiernspitze offenbarte, was ich befürchtet hatte: richtig steil, grobschottrig und natürlich voll in der Sonne. Die Temperatur war mittlerweile auch außerhalb des Wohlfühlbereiches. Aber ich hatte es so gewollt. Das Warten auf kühlere, aber damit auch auf kürzere Tage, war nicht meins, und so musste ich das jetzt durchstehen. Trailschnittchen schrieb was von "Wadl-Beisser" bei diesem Aufstieg, aber meine Oberschenkel brannten mehr und überdeckten den Schmerz in den anderen Körperteilen. Auf ging's, aber der Weg zum Gipfel zog sich wie eine Zeitschleife. Allerdings taten sich Panoramen auf, die mir fast den Atem raubten. Und so mußte ich öfters mal stehenbleiben und ein Foto machen. Und trinken, viel trinken. Obwohl leicht bewölkt, war die Sonneneinstrahlung ziemlich intensiv. Also weiter, den Schotterpfad aufwärts, tolle Tiefblicke und nach jeder Serpentine einen neuen, noch gigantischeren Blick in die Täler und auf die umliegenden Gipfel: wunderbar! Irgendwann kam das Gipfelkreuz in Sicht und ich freute mich auf die Rast und den Rundumblick. Musste vorher nur meine Falschfarben auf dem rechten Auge etwas auffrischen. Offensichtlich hatte das bis hierher ordentlich Körner gekostet.

Der Blick vom Gipfel ist ... wirklich atemberaubend. Eine 360° Sicht mit toller Kulisse: von den Niederungen der großen Stadt, hinüber zu Deutschlands höchstem Spitz und bis zum Alpenhauptkamm. Und auch auf die vielen Touren, die ich mit Winni schon gemacht hatte. Sie waren fast alle von hier aus zu sehen: hinten das Demeljoch , die Blauberge , Kompar und Fleischbank und der Schafreuther zum Greifen nahe. Vom Soiernhaus kamen Fetzen von Blasmusik herauf. Staunen, essen, staunen, trinken, weiteressen und weiterstaunen und die aufkommende große Freude, dass ich bisher gut zu meinem Saisonziel unterwegs war. Nach einer halben Stunde trieb mich die Sonne vom Gipfel. Es hatte auf 2250m ungefähr 30°, und das fast ohne Luftbewegung.

Der Weg hinunter stelle sich als schwer laufbar heraus und malträtierte meine Oberschenkel in die andere Richtung. Am Jöchel wurde es dann flowiger, da weniger steinig. Allerdings war der erhoffte Halbschatten zwischen den Bäumen nur sprichwörtlich die heiße Luft in den Latschengassen. Mein Trinkwasser hatte mittlerweile mindestens Körpertemperatur und ich halluzinierte von einem tröpfelnden Wasserhahn an der nächsten Alm - die mit den fünf Schreibweisen: Fereinalm, Fereinsalm, Vereineralm, Vereinalm, Vereinsalm. Alle Schreibweisen sind auf verschiedenen Karten und Wegweisern zu finden. Hier im Oberland wird die orthografische Freiheit noch voll ausgelebt. Von weitem sah ich schon die Fahne vor der Alm wehen und das Bild vom tröpfelnden Wasserhahn wurde deutlicher. Die Vorfreude ließ mich schneller werden und dann überraschte mich mitten auf der Wegkreuzung vor der Alm eine Tränke mit sauberem, ganz kaltem, fließendem, klarem, frischem, sprudelndem Wasser: ganz für mich alleine. Was zuerst? Trinken? Waschen? Trinkwasser wechseln? Hafermehl anfüllen? Alles auf einmal? Irgendeine Reihenfolge hat sich dann doch ergeben und nach zehn Minuten hockte ich gewaschen mit meinem kühlen Hafer-Trunk im Schatten auf dem Koppelzaun und wollte nie wieder weg. Die Hitze ging nicht wirklich aus dem Körper und so bin ich noch mehrmals zum Waschen an die Tränke gegangen, das kühle Nass über Arme, Beine und auch den Kopf rinnen lassen. Unbewußt habe ich die Füße ausgenommen, sind mir doch nasse Schuhe ein Graus beim Laufen. Ein paar Tage später habe ich in einem Forum gelesen, dass ein Bergläufer seinen ambitionierten Lauf auf dem E5 bei diesen Temperaturen wegen Blasen an den Füßen, aufgrund von nassen Socken vom Kühlen, abbrechen musste. Sehr schade.

Irgendwann war dann mal gut mit dem Kühlen und Trinken und ich raffte mich wieder auf. Das Wiederanlaufen ist immer unangenehm, vor allem, wenn es auf einer heißen Schotterpiste bergauf geht. Die Steigung hielt nicht lang und nach eineinhalb Kilometern ging links der Zubringer zum Jägersteig ab. Der Blick in den ausgetrockneten Seinsbach samt dem Ursprung der Steine, dem urigen Kampenleitenkopf und -spitze, zeigte mehr eine Riesen-Reiße als einen Bach und ließ die Naturgewalten erahnen, die hier wüten können.

Dann gings in den Wald und der Jägersteig wurde schmal, trailig, steinig und ...batzig. Im Hochsommer! Innerlich fluchend, hüpfte ich von Stein zu Stein und versuchte irgendeinen Laufrhythmus zu finden. Ich merkte die Körner, die ich alle schon gelassen hatte. Nach einer Weile wurde der Trail trockener und es kam dann nochmal richtige Freude auf. Laufen im Schatten, eine kühlende Trinkblase am Rücken und nur noch ein paar Kilometer, dann war es geschafft. Der Jägersteig ist sehr romantisch, mit Wasserfällen, vielen Kehren, ein paar Stufen und manchmal weichem Waldboden: wunderbar!

An der Aschaueralm hatte die Freude dann einen Knopf. Ich kam aus dem Wald, und die Hitze, die auf den Almwiesen vor sich hindöste, traf mich unvermittelt wie ein Schlag ins Gesicht. Ich wusste, dass das letzte Stück nicht sehr angenehm werden würde, aber hier schon so eine Hitze?! Der Schotterweg war anstrengend zu laufen, das asphaltierte Stück an der Kaserne vorbei war auch nicht besser. Noch ein bisschen durch den Wald, dann mit einem roten Schädel durch die brüllheiße Stadt, glühender Isardamm, dann noch 1000m bis zum Ziel. Die Freude war etwas verhalten, fühlte ich doch auch meine Erschöpfung. Die Straße bis zum Bahnübergang, dann war das Ziel zum Greifen nahe und meine Augen sahen in der flirrenden Luft... aufgespannte Sonnenschirme, Bierbänke und kühle Getränke. So muß ein Berglauf enden!

Zeit zum Waschen und ein Alkoholfreies im Sitzen und ein Wasser zum Mitnehmen, so ging's in den bereitstehenden, klimatisierten Zug: Füße hochlegen und nachspüren.

Das war eine wunderbare, sehr empfehlenswerte Tour und ein persönlicher Meilenstein mit alpinen 30km und 1900hm. Das nächste Mal
mit Winni.

Hier der Track auf Gpsies: Vorderriss Oswaldhütte - Plaindlsteig - Soiernspitze - Jägersteig - Mittenwald - 30km

Plaindlsteig und Soiernspitze

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