Trailrunning - St. Quirin - Baumgartenschneid

Winni Mühlbauer - Trailrunning 17.3.17


17.3.17
Harvester
Winni + Christian

Harvest ist Englisch und heißt übersetzt Ernte. Ein Harvester ist ein Mähdrescher, eigentlich. Durchpflügt jedoch ein HARVESTER Berghänge, hinterlässt er tiefen Wunden in der Natur und traurige Baumstümpfe. Wer sich unter diesen 700-PS-Monstern nichts vorstellen kann, der guckt hier: Gebrauchte Harvester. Diese teuren Dinger sind ohne Finanzierung nicht zu haben, weswegen sie profitbringend in den Bergwälder wüten und um sich schlagen müssen, bis alles zerstört ist. Durch so eine Schneise der Verwüstung sind wir heute gelaufen.

Gestartet zu unserer 25km langen Tour mit 1670hm sind wir in St. Quirin am Tegernsee, gleich hinter Gmund. Geparkt haben wir auf einem nicht öffentlichen Parkplatz neben der Straße, was wir aber erst bei unserer Rückkehr gesehen haben. Konsequenzen jedoch keine. Um 10:11 Uhr laufen wir los, Christian mit neuer GPS-Uhr, jetzt können wir vergleichen. Ein kurzes Stück neben der Straße lang, dann wieder Querung derselben, kurz über Asphalt eine Rampe hoch und wir erreichen den Tegernseer-Höhenweg. Der führt mit herrlichem Blick auf den Tegernsee in vielen Auf und Ab von Gmund nach Tegernsee und hat auf diesem 4km langen Teilstück immerhin 140m im Auf- und 205m im Abstieg. Eine Verlängerung mit weiteren Höhenmetern findet er nach Tegernsee bis Rottach-Egern. Ich schreibe das vor allem deshalb, weil ich die 1680 Gesamthöhenmeter unserer Tour und damit die Genauigkeit meiner TomTom angezweifelt habe.

Wir erreichen den Bayernweg hinauf zur Neureuth, der zu unserer Freude trocken ist. Auf der Fahrt hierher und dem Blick auf die noch weißen Nordseiten der Berge meinte Christian, der wie ich genug vom Laufen durch Schnee hat, dass er beim ersten Kontakt mit selbigem umdrehen würde. Der wird sich noch noch wundern! Nach 5,5km erreichen wir den Berggasthof Neureuth, der um 11 Uhr schon gut besucht ist. Ein laues Lüftchen weht und es riecht nach Frühling. Die Sicht ist gut, wenn auch nicht perfekt. Christian studiert die Luftschichten und erklärt mir das Wetter. Für ein mögliches Gewitter gab es ein Zeitfenster von 14 bis 18 Uhr. Neben den trockenen Trails auf Westlagen ein weiterer Grund, warum wir heute hier sind, denn über Tegernsee-Stadt ist man sicher unterwegs, weil es tausend Wege gibt, die einen rasch hinunter bringen.

Hinunter geht es auch gleich wieder, nicht aber, weil das Wetter umschlägt, sondern weil wir hinüber zur Baumgartenschneid und dabei Höhenmeter sammeln wollen. Für den Downhill hat sich Christian einen nicht gekennzeichneten Pfad ausgesucht, der 500m nach der Neureuth Richtung Gindelalm rechts in den Wald hinein führt. Wir laufen hinunter durch einen unaufgeräumten Wald mit herumliegenden Ästen und Gesteinsbrocken und erreichen den Hang, wo ein Harvester gewütet hat. Peter Wohlleben, der Autor von "Das geheime Leben der Bäume", meint im Trailmagazin dazu: "Ein Harvester wiegt bis zu 40 Tonnen. Diese Form der Holzernte hinterlässt Schäden, die sich nach Meinung von Experten erst nach der nächsten Eiszeit wieder regenerieren können." Nachdenklich stehen Christian und ich an einer Stelle, wo sich aus vier Richtungen kommend Spuren treffen, tief in weichen Boden gegraben von Monsterrädern. Wir wollen diesen Narben in der Natur auf unserem weiteren Weg nicht mehr folgen und laufen über eine Almwiese hinunter in Richtung Alpbachtal. Die "Tiefkühltruhe am Tegernsee" am Prinzenweg nahe dem Gasthaus Schießstätte erreichen wir nach insgesamt 9km. Hier beginnt der 6km lange Anstieg, der uns in angenehmen Zwischenetappen über den Galaun mit seinem Gasthaus und die Riedersteinkapelle auf die Baumgartenschneid bringen wird.

Alternative: Dieser Pfad hinunter ist nicht empfehlenswert, daher würden wir heute den Sommerweg zur Neureuth hinauf und den Bayernweg hinunter wählen. Dann ein kurzes Stück vom Bahnhof hinüber zur Schießstätte.

Mittlerweile ist es warm geworden, die Trails hoch zum Galaun sind trocken. Das Gasthaus unterhalb des markanten Felses, auf dem die Kapelle steht, erreichen wir nach 12,5km. Ich freue mich jetzt schon auf das Bier, das Christian auf dem Rückweg spendieren wird. Erstmal aber geht es schweißtreibend über den Treppenweg zur Kapelle hoch. Vor allem für Christian, der hier locker hochläuft. Sein Treppentraining macht sich bezahlt. Ich dagegen gehe den Kreuzweg andächtiger hoch. Am Kapellchen bläst deftig der Wind. Im Windschatten knabbern wir einen Riegel und machen uns dann auf zur Baumgartenschneid. Wir erreichen ein kurzes steiles waldiges Stück, auf dem die Wurzeln freiliegen, weil hier wohl Heerscharen an Wanderern durchgepflügt sind und sich hochgehangelt haben. Wir machen es auf dem Weg nach oben nicht besser. Weiter oben dann, wo uns das Wäldchen ausgespuckt hat, hätten wir eigentlich umdrehen müssen: der erste Schneekontakt. Noch ist er fest und mit einer braunen Kruste überzogen, aber schon ein paar Meter weiter stapfen wir wieder mal durch das kaltnasse Zeux. Gut, dass wir schon fünf Minuten früher windschützende Oberteile angezogen haben, denn hier bläst der Wind scharf und kalt. Noch ein paar Höhenmeter und wir stehen nach 14,5km auf der Baumgartenschneid - und werden von 6-7 Windstärken fast weggetragen. Nach einer kurzen Wetterstudie, der wir den Stempel "Bast scho!" verpassen, laufen wir geschwind wieder hinunter, warten doch Sonnenterrasse und ein Bier auf uns.

Wir halten uns ein Stückchen höher und hoffen, so dem Schnee ausweichen zu können, und landen erst recht darin, weil wir über ein Schneefeld doch wieder auf den Hauptweg müssen. Das steile Stück durch den Wald vermeiden wir diesmal und laufen auf dem Pfad weiter, der leider für Ottonormalherdentier nicht einladend aussieht. Hier müsste die Gemeinde mal was machen, bevor es auf der steilen Direttissima gar keinen Humus mehr gibt. Statt dem Treppenweg laufen wir den Pfad links davon hinunter, stürmen auf die Terrasse des Wirtshauses, setzten uns ... und genießen. Das Bier, die Sonne und das Hiersein. Morgen schon soll es schütten.

Wir starten wieder unseren Motor und steuern auf einen Pfad zu, der vor der Terrasse beginnt und uns auf kürzestem Weg über viele Wurzeln hinweg hinunter in Richtung Rottach-Egern bringt, wo wir auf den Panoramaweg treffen, die Verlängerung vom Höhenweg. Auf dem Weg zurück nach St. Quirin gibt es immer wieder mal kurze Anstiege und natürlich immer wieder freien Blick auf den Tegernsee, der von einfallenden Böen gepeitscht wird.

Am Auto angekommen überrasche ich Christian damit, dass ich heute vergessen habe, mein Hafermehl zu tanken. Wohl berauscht vom Gedanken an das Freibier habe ich es vergessen. Egal, gestresste Zellen produzieren neue Mitochondrien. Belohnt haben wir uns dann gleich nochmal mit alkfreiem Bier, Quark und Nüssen; neben mir geht es einem leckerem Wurstbrot an den Kragen.

Bald geht es weiter, der sich tageweise durchringende Frühling will genutzt sein.

Bis zum nächsten Mal.
In the meantime: Ryan Bingham - "Tell My Mother I Miss Her So"


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Tegernsee - St. Quirin - Baumgartenschneid

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Blick von der Baumgartenschneid

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