Trailrunning: Falkenhütte - Mahnkopf

Winni Mühlbauer - Trailrunning im Karwendel - 2.10 Eng - Hohljoch - Falkenhütte - Mahnkopf


2.10.16
Donauwelle
Winni

Geht es ins Karwendel, kann es mir gar nicht schnell genug gehen. Die Fahrt allerdings zieht sich, immerhin heute ohne Stau. Um 10:30 biege ich auf der Mautstraße ein Richtung Eng. Der große Ahornboden liegt noch im Schatten, die Bergahörner sind auch noch nicht herbstlich geschmückt. Also rasch weiter. Parkplätze gibt es genügend. Ich ziehe mich um, fülle heute meinen Trinkrucksack mal wieder mit 2 Liter kalter Maltosuppe, also Maltodextrin, Zucker und eine Prise Salz. Wollte mal wieder eine Glucoseschwemme ausprobieren. Hafermehl und Riegel habe ich nicht dabei. Diese Suppe macht satt genug. Als ich startklar bin, verschwinde ich noch schnell in den Wald, den nichtvorhandenen. Zurück am Auto schnappe ich mir den Trinkrucksack und wundere mich, wie stark ich heute morgen bin. War ich aber nicht. Die Blase war leer. Bis auf den letzten Tropfen. Meine auch. Ich spreche aber von der Trinkblase. Ich Trottel hatte vergessen, das Mundstück zu schließen. Während ich Pinkeln war, pinkelte auch mein Trinkrucksack und machte eine große Pfütze. Ordentlich neben das Auto, wie es sich gehört.

Zum Kiosk vom Alpenhotel Eng ist es nicht weit. Ich kaufe mir zwei halbe Liter Apfelschorle und darf den Rest hinten im Laden mit Wasser füllen. Als ich die Flaschen zurückgebe sehe ich, dass es gespritzte Apfelschorle ist. Na gut, dann geht's halt rülpsend durchs Karwendel.

Wuchtig erhebt sich das Massiv der Eiskar- und Grubenkarspitze über dem Almdorf Eng, als müsste es das Dorf beschützen, aber die Eindringlinge kommen von der anderen Seite, aus dem Rißtal, mit Bussen und Autos. Der blaue Himmel, der sich heute über das Almdorf und seine Festungsmauern spannt, beglückt mich zutiefst. Das Warten auf diesen Tag hat sich gelohnt. Ich laufe vorbei an dem urigen Bauernladen, steuer auf den sonnigen Hang hinter dem Dorf zu und beginne den Anstieg zum Hohljoch (1794m) auf einem ausgelatschten Kuhpfad neben dem Schotterweg.

Nach einem Gatter wird es steiler, der Weg ruppiger, ich komme in mein Element. Der Drive dieses Stückes >>> The Duhks - "Banjo Roustabout" schiebt mich zusätzlich an. Es geht durch einen lichten Wald, der immer wieder den Blick frei gibt auf die wildgezackten Felswände, und bald zeigt mir der markante Grubenkarpfeiler, wo das Hohljoch liegt, mein erstes Etappenziel. Ich springe über kleinere Bäche, dann wieder über glatte Kalksteinplatten, hin und wieder über Wurzeln und Fels, bis sich langsam eine grüne Kuppe vor mir auf tut. Aus ihr heraus, so scheint es, wachsen nach und nach die höchsten Gipfel des Karwendels, die Kaltwasserkar-und Birkkarspitze (2749m). Noch ein paar Meter, und ich stehe auf dem Hohljoch. Mit einem Schlag pfeift mir heftig der Wind um die Ohren. Ich habe Mühe, meine hauchdünne Laufjacke anzuziehen, die, so dünn ist sie auch ist, mich wunderbar wärmt, sogar im Winter. Wie eine tibetische Gebetsfahne flattert sie jetzt im Wind.

Dann endlich Zeit ... Zeit um den Atem anzuhalten ... der blaue Himmel ... der Wind ... die Weite. Und ich ganz bei mir. Hochglückstag!

Weit drüben liegt kaum auszumachen die urige mit Schindeln an den Wänden verkleidete Falkenhütte zu Füßen der Lalidererwände, die Walter Pause als "zyklopische Urwelt" bezeichnet hat. Vis-a-vis erstrahlt im prallen Licht der Sonne das Ladizköpfl und der Mahnkopf, mein heutiges Ziel.

Erstmal aber geht es tief hinunter und hinein in den Schatten der 1000m hohen Lalidererwände. Ich laufe über Schotter, mal richtig kantig, dann wieder fast butterweich, mache Tempo aus Jux und Tollerei, lasse mittlere und größere Felsblöcke links und rechts liegen und bin happy, hier sein zu können. Bald liegt diese Landschaft aus Geröll hinter mir und flux geht's hoch zur Falkenhütte. Ich ziehe meine Laufjacke wieder aus und mache mich in der Sonne auf zum Mahnkopf. An den Wegweisern treffe ich einen sympathischen jungen Mann, der einen riesigen Rucksack schleppt. Auch er will auf diesen Gipfel und läßt mir den Vortritt. Auf einem souligen Singletrail laufe ich westlich am Ladizköpfl entlang, ein anderer Trailrunner überholt mich ohne zu grüßen, und wenig später lande ich auf dem Ladizjoch. Zum Fuß des Mahnkopfs geht's erstmal ein Stückerl bergab, während sich immer deutlicher vor mir die 300 Höhenmeter zum Gipfel aufbauen. Ich schraube mich die engen Serpertinen steil nach oben. Obwohl ich gehe und mich mit den Stöcken anschiebe, beginnen die Wadeln zu brennen. Ab einer Kante wird es flacher. Ein kurzes Stück laufe ich über einen grünen Rücken, das Gipfelkreuz schon im Blick, und dann stehe ich allein auf dem Mahnkopf.

Es ist das Licht. Noch kräftig, aber schon flach. Langsam krabbelt die Sonne entlang der gezackten Lalidererspitzen und richtet ihren mächtigen Spot auf diese wunderbare Bergwelt. Staunen kann so einfach sein. Glücklichsein auch. Ein Finisher-Shirt bedarf es dazu nicht.

Beinahe hätte es mich weggeweht. Eine kräftige Böe hatte mich erwischt. Den Dolen gefällts. Hofften, der Kerl möge davon fliegen.

Der aber hat sich jetzt zum Fotografieren hingesetzt und genießt noch eine Weile den Blick in die Weite der Karwendeltäler, den Blick hinüber zum Hohljoch. Dorthin mache ich mich wieder auf, erstmal vorsichtig und langsam, um nicht auf dem Hosenboden zu landen. Auf halbem Weg kommt mir der große Rucksack mit dem sympathischen Burschen dran entgegen, der, wie könnte es anders sein, schmunzelte. Vor einer Woche hatte er sich in Garmisch aufgemacht, in einer Woche will er in Kufstein sein. Die Stationen sind erstmal Lamsenjoch, Achensee, Rofan. Und wenn noch Zeit bleibt, dann will er auch noch a bisserl in den Kaiser. Er und sein riesiger Rucksack. Und Mädels ... dieser junge Mann sah gut aus. Richtig gut. Mit einem strahlenden Lächeln beantwortete er geduldig meine Fragen. Die zum Beispiel: Warum er den schweren Rucksack hier hochschleppt, wo er doch unten in der Falkenhütte übernachten will? "Den habe ich lieber dabei, man weiß ja nie."

An der Falkenhütte, noch immer in der Sonne, wechsel ich mein Shirt und Stirnband. Die untere Lage bleibt. Dieses mit einer speziellen Kunstfaser grobgestrickte Tank von skinfit® ist bisher das einzige, das ich kenne, das wirklich keine Feuchtigkeit aufnimmt. Auch die Laufjacke ziehe ich wieder an und mache mich auf den weiteren Rückweg. Das Hohljoch liegt noch in der Sonne, dann aber geht es in den Schatten. Die Felswände vor und über mir erstrahlen in sattem Grau. Auf halbem Weg nach unten bemerke ich einen spürbaren Leistungsabfall. Und stelle mir eine Frage: Wie lange hast du eigentlich schon nichts mehr gegessen? Zum Frühstück um 8 Uhr habe ich mir eine Kürbiskernsemmel mit Honig gemacht. Jetzt ist es etwa 17:00 Uhr. Seit sechs Stunden bin ich auf den Beinen und bald 17km und 1250hm gelaufen. Na sauber! 9 Stunden mit nix Brauchbarem im Bauch*. Nicht ganz. Zwei Stückchen Traubenzucker (meine Notration) gab's, und als Dessert eine Salztablette. Nach dieser Frage geht es mir nicht gerade gut. Auch meine Trinkblase ist leer. Das aber ist nicht das Problem. An zwei Quellen trinke ich ein paar Schlucke, und unten im Almdorf stehen Brunnen. Almdorf? Gibt es da nicht ein Restaurant mit Selbstbedienung? Gibt es, das aber macht gerade zu. Zum Glück bekomme ich noch das letzte Stück Donauwelle und dazu einen Cappuccino. Ob ich mich damit noch auf die Terrasse setzen möchte, fragt mich die charmante Dame hinter dem Tresen als ich bezahlt hatte. Zu spät. Ich reiche ihr den leeren Teller und die leere Tasse.

Bis zum nächsten Mal.
In the meantime: Falkenbach - ...When Gjallarhorn Will Sound

Trailrunning - Von der Eng auf den Mahnkopf

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