Trailrunning: Schönberg und Roß- und Buchstein

Winni Mühlbauer - Trailrunning Schönberg und Roß-und Buchstein - 8.6.17


08.6.17
Kraut-ohne-Rüben-Berg
Winni

Christian hat sich in Richtung Südpol aufgemacht, Richtung, also war ich mal wieder solo unterwegs. Begleitet haben mich nur meine Stöcke, die schon ewig nicht mehr im Einsatz waren. Zum einen wollte ich noch meine Knie schonen, zudem bin ich vierbeinig beim Bergablaufen sicherer unterwegs, was den Spaßfaktor erhöht. Nicht verschweigen will ich, dass sich dabei auch der Deltoid hübsch aufbläst.

Los gings am Wanderparkplatz kurz nach Kreuth-Bayerwald (862m), von wo aus die meisten direkt zum Roß- und Buchstein hoch wandern. Ich werde hier herunterkommen nach der gut 17km langen und mit 1340hm gespickten Runde, die mich zuerst auf den Schönberg bringen wird. Dazu laufe ich unten erstmal entlang der Weißach auf einem Wanderweg neben der Bundesstraße in Richtung Glashütte. Nach einem Kilometer kommt ein braunes Taferl "Röhrlmoosalm-Parkplatz". Dort quere ich die Straße und finde auch gleich den Wanderweg zur gleichnamigen Alm. Einen Parkplatz allerdings sucht man hier vergebens.

Der leicht ansteigende Wanderweg ist gut laufbar und führt durch dichten Mischwald. Es ist angenehm kühl, und mit jedem tiefen Atemzug genieße ich die Terpene , die ich einatme. Nach knapp 4 Kilometern entläßt mich mein Therapeut und schickt mich auf eine gelbblühende Almwiese mit neuen intensiven Düften. Ich bin überwältigt. Auch wegen der doppelten Dopamindusche. Die eine vom Laufen und die andere wiederum von den Terpenen. Den chemischen Botenstoffen in Form von Duftstoffen, mit denen Pflanzen nicht nur untereinander kommunizieren, sondern auch mit dem menschlichen Immunsystem.

Vor mir die Röhrlmoosalm. Auf einem breiten und flachen Wirtschaftsweg laufe ich in der Sonne in Richtung Lenggries, bis ich eine kleine Holzkapelle erreiche. Bevor ich jedoch dort entlang eines Zaunes weiter hoch laufe, verstricke ich mich in ein Gespräch, das dauern und das weiter oben eine Fortsetzung finden sollte. Wieder geht es in den Wald hinein, der steinige und wurzelige Weg wird steiler und matschiger. Ein kleiner Rinnsal kommt mir entgegen. Aussicht bisher keine. Das ändert sich, als ich auf einem Wirtschaftsweg lande. Rechts die Westseite vom RuB-Stein, links die Tegernseer Berge, das Karwendel und leuchtend weiß der Hohe-Tauern.

Ich werde von einem E-MTB überholt, der Fahrer hält. Du bist ja zu Fuß schneller als ich mit MTB. Da ist er wieder, der liebenswerte Mittsiebziger, mit einer Orthese am rechten Fuß. Mit seiner Krankheitsgeschichte hatte das Gespräch bei der Kapelle angefangen. Arthrose. Er überlegt, ob OP oder Versteifung. Jetzt aber sprechen wir nur über unsere Ziele heute. Er will nur zur nahegelegenen Schönbergalm (unbewirtschaftet). Ich erwähne Schönberg, Maria Eck und Roß- u.Buchstein. Maria Eck sei heikel, meint er, allerding war er seit 15 Jahren nicht mehr dort. Dann will er wieder los, hat aber Bedenken, dass er es bei dieser Steigung mit seinem E-MTB nicht mehr schafft. Tut er aber. Gleich werde ich ihn wieder sehen.
Treffe ich auf Menschen, kann ich wählen, ob ich mir Zeit für sie nehme, oder nicht. Manchmal passiert es intuitiv, dass ich stehenbleibe und mich austausche. Nicht selten haben sich solche Begegnungen später als Fügung entpuppt.

In einem Bogen laufe ich auf die Schönbergalm zu. Da sitzt er schon. Ich bitte ihn, ein paar Fotos von mir zu machen. Dann reden wir weiter. Wenn er einen leichten Beruf gehabt hätte, Lehrer oder Bürgermeister, dann wäre er von seiner Sprunggelenksarthrose vielleicht verschont geblieben. Allerdings hat er immer schwer gearbeitet, auch in einem Sägewerk. Früher allerdings war er Ringer, sogar Bayerischer- und Münchner-Meister. Dennoch hat er mit 30 schon in den Handgelenken Arthrose bekommen. Sei ihm wohl in die Wiege gelegt.

In einem schlauen Buch las ich, und damit fasse ich mir als Sportler an die eigene Nase: Bei einem neuen Reiz adaptiert der Körper diesen und wird dadurch leistungsfähiger (allgemein bekannt). Kommt der Reiz zu häufig oder ist die Intensität zu hoch, dann kann der Körper diesen Reiz nicht adaptieren, sondern nur noch kompensieren (weniger bekann). Kompensiert der Körper einen Reiz zu lang, wird er krank (kaum bekannt).

So wurde ich durch meine heutige Begegnung an etwas erinnert, dass ich mir zu Herzen nehme. Zudem erinnere ich Christians Worte, denen ich uneingeschränkt zustimme: Trailrunning-Novizen wollen zu schnell Ultras laufen, weil lange Strecken mit einigen Tausend Höhenmetern durch Marketing und Berichterstattung mit Trailrunning verknüpft wurde und noch immer wird. Trailrunner, so leider häufig die Idee, ist man erst, wenn man Ultras läuft. Dass dann bei einem Ultra wie beispielsweise dem Zugspitz Ultra (ZUT) mit 100km und 5412hm, der jedes Jahr um die Sommer-Sonnwend ausgetragen wird, die Masse (habe gehört, 70%) überwiegend geht und nach mehr als 20 Stunden ins Ziel kommt, interessiert nicht groß. Den Spitzenläufern allerdings kann man großen Respekt zollen. Doch, und damit komme ich auf meine Begegnung von heute zurück: Was, wenn der Körper schon lange nicht mehr adaptiert, sondern kompensiert? Ich genieße lieber weiterhin das Genuss-Trailrunning mit Innehalten und halte mir offen, was kommt.

Erstmal kommt das Kreuz vom Schönberg auf mich zu, das nicht am Gipfel steht, sondern weit unterhalb. Ich schaue hinunter nach Lenggries, der Ausgangspunkt so mancher Trailrunde. Weiter gehts zum hinauf zum höchsten Punkt (1620m). Grünes Blattzeux wird immer dichter und versperrt mir bald den Blick auf den Trail. Wie dieser Berg zu seinem Namen kam, ist mir ein Rätsel. Ich hätte ihn Kraut-ohne-Rüben-Berg getauft. Vielleicht ist er ja von unten aus gesehen schön. Dennoch mache ich hier meine erste Pause und hoffe, dass keine Raupen über meinen Hafermehltrunk herfallen.

Das nächste Etappenziel ist Maria Eck, wo ein Trail hinüber zum Seekarkreuz geht, allerdings mit einer schwierigen Kletterpassage und einem kurzen, sehr ausgesetzten Stück. Mein Papier-Guide sagt, dass ich zunächst den Gipfel überschreiten und dann an der Kante ein Stück dem Weidezaun folgen soll. Dann soll es durch die Rinne hinüber zu dem Trail gehen. Verflixt! Weder hat der Weidezaun einen Durchlass, noch kann ich irgendwo einen Pfad hinunter in die Rinne ausmachen. Auch mein Pfad ist bald zu Ende, und mühsam latsche ich einen steilen, von Kuhklauen durchwühlten Bergrücken mit abermals viel Kraut hinunter und lande wieder bei der Schönbergalm. Nochmal grüße ich kurz meinen Gesprächspartner und mache mich auf zu Roß- u.Buchstein. Ein kurzes Stück geht es den Wirtschaftsweg zurück und dann weiter zur Ampertalalm. Oberhalb mache ich einen Wegweiser aus und laufe hoch. Wie vermutet verläuft hier der Trail zum Maria Eck. Ich laufe ihn ein Stück weit und finde es schade, ihn von oben nicht gefunden zu haben. Ich drehe wieder um laufe diesen Trail weiter, der erstmal in den Wald führt und dann ein kurzes Stück oberhalb des Wirtschaftswegs verläuft.

Roß- und Buchstein kommen immer näher und sind auch von hier imposant anzuschauen, allerding nicht so bizarr, wie sie aus der Ferne zu sehen sind. Das Nest allerdings, in dem es sich Tegernseer Hütte zwischen den Doppelgipfel gemütlich macht, ist einen Besuch wert. Ich freue mich jedenfall, da hinaufzugehen, zumal der leichtere Anstieg auf der Rückseite heute in der Sonne liegt. Hier bin ich schon mal im Schatten hoch, am 9.10.14 bei kalten Temperaturen.

Zunächst ist der Pfad rupig und mit großen Felsbrocken übersäht, zum Laufen für mich zu schwer. Im weiteren Verlauf kommen aber immer wieder laufbare Passagen. In zwanzig Minuten bin ich oben (1620m) und ziehe gleich mal meinen Kopf ein. Zwei Personen, weiblich und männlich, klettern direkt über mir in der speckigen Felsrinne zum Buchstein hoch. Mehr Aussicht als die von der Terrasse aus brauche ich nicht. Wozu die paar Höhenmeter mehr? Auch auf den Roßstein zieht es mich nicht, auf den Weg vorne hinunter schon gar nicht. Ich bleibe eine Viertelstunde, verdrücke mich dann hintenherum und freue mich, mit meinen Stöcken weite Teile des sogenannten Altweibersteigs hinunterlaufen zu können.

Frisch gestärkt mache ich mich auf, die letzten Kilometer hinunter unter meine Füße zu nehmen. Vorbei an der Sonnbergalm mit feinem Ausblick auf die Blauberge und den Guffert, geht es mal steil und holprig, mal flowig hinunter zum Wanderparkplatz. Warum ich mir kein alkfreies Bier eingepackt hatte, wissen die Geier, das gute Gefühl hinterher hat sich aber auch so wieder eingestellt. Entspannt stehe ich im Stau in Bad Wiessee, entspannt geht es Richtung Autobahn, und entspannt und zufrieden weiter nach Hause. Angekommen stelle ich fest, dass meine Knie - Patella? - wieder leicht schmerzen. Ich denke, ich täte gut daran, einfach mal 'ne Woche gar nicht zu Laufen.

Bis zum nächsten Mal.
In the meantime: Ensiferum "One Man Army"

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Blick von der Tegernseer-Hütte


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