Wintertrailrun - Fockenstein - 18.2.16

Winni Mühlbauer - Winter Trailrunning - Fockenstei 18.2.16 (Mit einem Klick wird das Foto riesengroß)


18.2.16
Winterblühen
Winni

Es geht auf halb Elf zu. Die Algorithmen von sieben Wetterberichten sahen seit Tagen schon schönes Wetter für den heutigen Donnerstag im Raum Tegernsee voraus. Nur einer nicht, und der hatte Recht. Weather.com. Es hätte so schön sein können! Blauer Himmel, eine lachende Sonne, gezuckerte Bergkämme in der Ferne. Dieses Schön fiel heute aus, dafür war es anders schön: feinste Eiskristalle festgewachsen an allem, was sich in die Luft streckt. Rauhreif. In die Richtung gewachsen, in die der Wind heute Nacht geweht hatte. Jetzt ist es windstill. Unter mir das Knirschen, als ich mich bei Minus 2 Grad am Parkplatz des Bad Wiesseer FIS-Slalomhangs am Sonnbichl auf den Weg mache in diese bizzare graue Welt. Ein Weg voller Überraschungen und innerer Dialoge.

Für den Aufstieg zur urigen Aueralm wähle ich den Weg durch die Mitte, den über die Waxlmoosalm. Ein kurzes Stück geht es durch den Wald, dann erreiche ich die steile Piste. Noch ist der Schlepplift nicht in Betrieb. Rechts außen steige ich die frisch präparierte Piste nach oben, quere am Ausstieg des Lifts den Hang und erreiche das steilste Stück. Gesäumt ist der Hang von schwer mit Rauhreif beladenen Fichten - siehe hier: Fotowebcam - Sonnenbichl . Vor mir zwei junge Damen aus München, wortkarg, unterwegs mit Trailschuhen, Rucksäckchen und Winterlaufklamotten, die zur Aueralm wollen - wandernderweise. Zwei Engel, sonst hätte es niemanden gegeben, der dieses bezaubernde Foto von mir ... äh, den Fichten und mir geschossen hätte. Eigentlich wollten sie zum Skifahren, aber es läge zu wenig Schnee, meinten sie. Ähem! Am Brauneck zum Beispiel liegt lt. Lawinenwarndienst 1 Meter von dem Zeux. Hoch.

Mal stapfend, mal laufend gehts durch den Wald immer höher hinauf, bis er mich an der Waxlmoosalm ausspuckt. Der Nebel wird immer dichter. Weiter geht's vorbei an frierenden blätterlosen Laubäumen und schwerbeladenen Fichten. Im Laufschritt komme ich auf diesem Bergrücken nur selten voran, zu tief ist hier der kaum gespurte Schnee. Flotter geht es erst wieder, als ich auf den Forstweg treffe, der vom Söllbachtal herauf führt. Wieder treffe ich auf Mädels, sechs oder sieben, die mit roten Backen im Gänsemarsch hoch keuchen. Eine Gruppe älterer Damen, gar nicht wortkarg aber mit frierenden Füßen und voller Vorfreude auf die warme Stube, von der sie glaubten, sie sei nur noch 10 Minuten entfernt. Geschafft haben sie es nach 20 Minuten. Eine nach der anderen tauchte aus dem dichten Nebel auf und verschwand in der Aueralm. Ich blieb draußen, machte kurz Rast und stärkte mich mit Hafermehl, dem ich neuerdings BCAA und Kollagen Hydrolysat beimische.

Dann geht es ab in den Nebel und in die Einsamkeit. Die Spur aber ist gut zu sehen. Ich erreiche die Neuhüttenalm und entdecke ein Schild mit der Aufschrift "Nach Hause". Nix da! Weiter geht's hinein in die Suppe, direkt auf die Ostflanke zu, die ich im Direktangriff nehmen möchte. Im Zickzack wühle ich mich im tiefen Schnee nach oben.

Mal sehen, wo wir rauskommen. Wenn's brenzlich wird, sagte der Bequeme in mir, drehen wir aber um. Klaro! Kam es promt. Dieser Teil vom mir aber hatte mitbekommen, dass bei wenig Sicht das Vorwärtskommen rascher vor sich geht als bei guter Sicht. Jedenfalls gefühlt, weil man nie sieht, wie weit es noch ist. Und so quasselte er was von "jetzt nur noch zu der Fichte, zu dem Hügel, um die Kurve ..." Ganz in Gedanken versunken und den Blick auf die Spur vor mir gerichtet, wäre ich beinahe mit drei Wanderern kollidiert. Sie waren am Gipfel. Nur kurz hatte es aufgerissen, sagten sie, und das war es dann auch schon für heute. Sie raubten mir die Illusion, dass ich heute nochmal Sonne sehen würde, und ich machte ihnen die Freude zunichte, dass sie heute die einzigen hier oben sind. Ich bedankte mich für die tolle Spur und die Information, dass der weitere Aufstieg sicher sei. Weiß aber auch, dass ich jetzt ganz alleine hier oben herumturne und für mich ganz allein verantwortlich bin. Also drehen wir nicht um?, fragt der eine in mir. Nein, erst wenn es heikel werden sollte, mischte sich der ein, der zwischen den beiden vermitteln wollte. Immer steiler geht es hinauf, und während die drei so vor sich hin plappern, wurde es mir warm.

Noch immer ist es windstill, mystisch, grabesstill ... und dann ... Avalon. Die Anderswelt. Mein Herz blüht auf. Winterblühen!

Der Nebelvorhang reißt auf und vor wundersam blauem Himmel stehen sich über mir kriegerische Gestalten mit langen weißen Bärten gegenüber. Zurückweichend die einen, angriffslustig die anderen. Und wieder andere stehen stolz und aufrecht an der Seite und verfolgen das Spektakel.

Ey, wir sind hier auf vielleicht 1500 Meter Höhe! Ein Hirnödem holt man sich weiter oben. Das hat ihm jetzt gar nicht gepasst, dass wir auf diesem steilen Anstieg in der warmen Sonne stehen und ein wenig mehr sehen. Leider nicht viel mehr, nur ein paar schneebedeckte Hügel in der Nähe und wenige Fichten. Dann aber doch: der Fockenstein. Kurz blinzelt er herüber, bevor er hinter einer Erhebung verschwindet. Doch noch so weit weg! Im Nebel wär's kürzer gewesen. Ich stapfe munter weiter, passiere eine Stelle mit Vorsicht, die Felsformation mit dem Fockenstein Fensterl hatte mich gewarnt. Nochmal wird es steiler, die Gipfelregion. Auch wenn gut gespurt, hoffe ich, meine Füße wissen, wo sie hintreten. Dann der letzte Anstieg, und eher als gedacht stehe ich am Kreuz des Fockensteins (1564m). Es ist warm, der Nebel wabert auf und nieder, nur leider sind die Tegernseer Berge nicht zu sehen, nur ein paar Gipfel, die wie flache Inseln aus dem Nebelmeer gucken.

Tief zufrieden, hier oben zu stehen, genieße ich den Moment, das Schöne, das heute anders ist.

Mit Freude im Herzen mache ich mich auf den Rückweg, erst noch umsichtig, dann immer ausgelassener, vermisse auf dem Weg nach unten die Krieger, die der Nebel schon wieder verschluckt hat. Raste kurz an der Neuhüttenalm und leere nahezu mein Fläschchen, laufe hurtig weiter, immer schön rein mit der Ferse in den weichen Schnee, passiere die Aueralm, laufe weiter durch tiefen Schnee hinunter zur Waxlmoosalm und erreiche die Skipiste. Jetzt tummeln sich hier die Kinder zweier örtlichen Skivereine, die einen in Grün, die anderen in Blau. Tore sind gesteckt, der Lift läuft. Ich auch, nach Hause, also zum Auto. Es ist kalt. Minus 1 Grad. Ich vermisse die Anderwelt. Es war traumhaft schön dort.

Bis zum nächsten Mal.
In the meantime: Stoney Larue - Into The Mystic

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