Trailrunning: Jachenau - Rabenkopf

Winni Mühlbaur - Trailrunning in der Jachenau 19.12.2015


19.12.15
Lustwandeln auf Traumtrails (© by Christian)
Winni + Christian

Wie hast du das geschafft, frage ich Christian, als ich nach unserer üppigen Runde ins Auto einsteigen will. Er grinst nur. Ich haue mir den Kopf an, dann bin ich drin. Erschöpft sind wir beide, und glücklich wie ein Honigkuchenpferd. Es war unser letztes gemeinsames Herumsausen in den Bergen für dieses Jahr und unser längstes. Nicht mal im Traum hätten wir daran gedacht, dass wir am 4. Advent eine für 2016 geplante Tour in der schönen Jachenau machen können. Bei der Rappinschlucht mit ihren ausgesetzten Stellen wird vor Schnee und Nässe gewarnt, und dieser Streckenabschnitt lag am Ende unserer heutigen 25km Runde. Unterhalb der Benediktenwand hätte es zwar einen Notausstieg hinunter in die Jachenau gegeben, da aber die Trails bis dorthin selbst in Schattenlagen nur mehr Schneereste aufwiesen, sollte es weiter unten völlig trocken sein.

Christian hatte die Idee zu dieser Runde, eine Kombination von Streckenabschnitten, die er zum einen von seinen MTB-Touren her kannte, zum anderen versteckte und und einsame Trails, Tipps der Laufschrittmacher Andi Purucker und Christian Reichart. Deren Tour war etwas länger als unsere. Bei ihnen ging es über den Jochberg und den Sachenbachtrail zurück ins Dorf Jachenau, bei uns über den Rabenkopf und die wilde Rappinschlucht.

Langsam lichtet sich der Nebel in der Jachenau, die Sonne kämpft noch ein wenig. Es ist kalt. Um die 3 Grad. Wir sind eine Stunde früher als sonst losgefahren und starten um 10:10 Uhr am Wanderparkplatz unterhalb der Dorfkirche. Von unserer heutigen Tour habe ich nur ein paar Eckdaten im Kopf, die mir Christian gemailt hatte: "Wir laufen vom Parkplatz im Ort Jachenau über Kienstein - Latschenkopf (nicht der am Brauneck) - Tanneralm - unterhalb Glaswandscharte - Pessenbacher Schneid - Staffelalm - Rappinschlucht - und wieder zum Parkplatz. Sind etwas über 20km/1000hm." Kein Wort zur Rappinschlucht. Vielleicht auch gut so. Ich hätte mir wahrscheinlich ausgemalt, wie nass es dort sein würde und der Pfad voller Laub. Mit diesem Bild im Kopf die Tour zu startet wäre schweres Gepäck gewesen. So aber ging es locker los.

Gerne lasse ich für den Anfang die Laufschrittmacher zu Wort kommen, die Autoren des empfehlenswerten Buchs Trailrunning Guide Münchner Umland: " Wir verlassen den Ort Jachenau am Wanderparkplatz auf der gut ausgebauten Strecke entlang der Großen Laine in Richtung Norden. Noch teilen wir uns diesen Abschnitt mit einigen Wandergruppen, viele wahrscheinlich auf direktem Kurs zum Rabenkopf oder zur 1.801 m hohen Benediktenwand. Das ändert sich schlagartig nach der Abzweigung weg vom breiten Weg zum Wasserfall. Auf einem relativ steilen Schotterweg gewinnen wir schnell an Höhe und entdecken kurz hinter dem auffälligen Felsen des Kiensteins einen Waldpfad – der Einstieg zum verlassenen Höhenwanderweg. Nach einem weiteren Aufstieg im Wald schlängelt sich der Steig entlang von Hangwiesen an Hütten und Almen vorbei. Hat man erst einmal die 1.300-er Höhenlinie erreicht, bleiben längere An- und Abstiege aus. Einige Wegstücke lassen es dennoch nicht an Spannung fehlen, denn es gibt stellenweise keine Trittspur und keine Wegweiser."

Auch wir haben ein paar mal den Weg verloren, sind umgedreht oder am Latschenkopf, hier ein Hügel ohne Kreuz, die steile Direttissima hinunter. Problemlos, da Südlage und entsprechend trocken. Als wir dann wieder auf den einsamen und romantischen Trails unterwegs waren, ging es flowig und lange dahin. So blieben die Körner heute mehr auf konditionsfordernden Kilometern liegen, als auf einem langen Anstieg zum Gipfel. Trailrunning pur! Immer wieder kommt die Sonne zum Vorscheinen, die Wolkensuppe schwappt hin und her, die blaue Linie liegt südlicher, kommt aber näher. Wieder und wieder bleiben wir stehen, schauen auf den weiteren Verlauf oder dorthin zurück, wo wir hergekommen sind. Immer größer baut sich vor uns die Benediktenwand auf. Nach der Tanneralm lese ich auf einem Wegweiser, dass es von hier 45 Minuten zum Gipfel sind, und finde es ein wenig schade, ihn rechts liegen lassen zu müssen. Dafür aber haben wir längst ausgemacht, den Rabenkopf mitzunehmen. Dorthin ist es aber noch ein Stückchen. Erstmals geht's weiter in Richtung Glaswandscharte und zu einem ersten Kreuz, der Pessenbacher Schneid (1290m). Auf dem langen Weg hierher haben wir keine Menschenseele getroffen, und hier genießt eine Familie die warmen Sonnenstrahlen. Die blaue Linie war vorangekommen, die Wolken verschwunden. Wir verweilen nur kurz und tauchen in den Schatten des Rabenkopfs ein. Auch hier: der Trail einfach nur schön und trotz Schnee gut zu laufen. Wir kommen flott voran und schon bald taucht die Staffelalm auf. Die sonnenverwöhnte Alm am Fuße des Rabenskopfs. Und noch etwas Besonderes hat diese Alm zu bieten, verrät mir Christian, zwei Originale von Franz Marc: Blauer Reiter am Berg.

Statt zum Sonnenbaden auf der Terrasse machen wir uns nach gut 4 Stunden auf den 1,5km langen Weg hinauf zum Rabenkopf (1555m), der im Gipfelbereich ein paar kurze ausgesetzte Passagen hat. Und wieder ist es am Gipfel nahezu windstill und schön warm, und wieder an einem Kreuz treffen wir auf zwei Wanderer, die mit einem Hund unterwegs sind. Das war es dann heute auch schon mit Begegnungen. Wir genießen den Weitblick, Christian deutet hier hin und dorthin, erzählt von seinen vielen Touren, die er hier mit dem MTB gemacht hat, von so mancher Überraschung, meist unerwartet viel Schnee, wo er dann das Rad tragen musste und nicht das Rad ihn. Wir blicken hinüber zum Hirschhörnlkopf, auf dem wir dieses Jahr auch schon gestanden sind und hierher zum Rabenkopf geblickt hatten, und von wo aus die Benediktenwand so weit weg schien.

Mag mir einer verraten, ob es am Ende eines Jahres einen schöneren Platz gibt, von wo aus man auf die vielen gemeinsam gelaufenen Runden in den Bergen zurückblicken kann, als vom wildromantischen Rabenkopf-Gipfel in der Jachenau aus, dem Sonnental mit Traumtrails? Danke, Christian!

Standen wir deshalb auf dem Rabenkopf?

"Für die Indianerstämme der nordwestamerikanischen Pazifikküste ist der Rabe die wichtigste Kreatur der Erde.
Der Rabe war der große Hüter und Beschützer der Kultur, der Schöpfer der Erde, der alles mit seinem Willen lenken
konnte, er war Übermensch und erschien in mannigfaltiger Gestalt. Er brachte Sonne, Mond und Sterne an den
Himmel, er füllte die Gewässer der Erde mit Fischen und setze alles Getier auf das Land. Er wies der Natur ihren
richtigen Ort, vor allem den Bäumen und den Flüssen. Er bevölkerte die Erde mit Menschen und gab ihnen das Feuer."
Quelle: Rabental.de

Ich leere den Rest meines Hafermehldrinks und ziehe mich um. Langsam beginnen wir den Abstieg, die 235hm hinunter zur Staffelalm, erst über spitze Felsen, dann über Stufen und bald dem sich in engen Serpentinen hinunterschlägelnden Pfad, der noch immer in der Sonne liegt. Mehr als die Hälfte der Strecke liegt hinter uns. Zieht man aber eine Linie von West nach Ost, dann sind wir noch nicht mal auf Höhe der Tanneralm - also noch ganz schön weit weg vom Dorf Jachenau, das südlich von hier liegt. Der vor uns liegende lange Abschnitt, der uns in Richtung Wespenkopf bringt, ist ein weiterer traumhafter Trampelpfad, der uns Beine macht und unsere Herzen höher schlagen lässt. Es geht auch nicht steil dahin, so dass sich auf mehrere Kilometer ein toller Flow einstellt, wenngleich die Konzentration hochgehalten werden muss, da es über viele Wurzeln und ruppiges Gestein geht. Wir laufen und laufen, der Hirschhörnlekopf wird immer kleiner, dann bleibt Christian kurz stehen und sagt, dass der Trail jetzt leichter wird. Das höre ich nach mehr als fünf Stunden Lauferei gerne. Tief unten höre ich einen Bach rauschen, die Rappinlaine, die sich bis zur Mündung in die Große Laine tief in die Rappinschlucht gegraben hat, mit Wasserfällen bis zu 40 m Fallhöhe.

Fallhöhe. Was sagt mir Christian bei ausgesetzten Stellen? Man muss da ja nicht hinunterspringen. Und wenn er ganz gemein ist: "Ich habe ein Schäufelchen dabei."

Gelogen jedenfalls hat er nicht, der Pfad durch die Schlucht ist trocken und größtenteils gut gekehrt, von einigen kurzen Passagen abgesehen. Landschaftlich ist die wildromantische Rappinschlucht jetzt im schneefreien Winter ein Genuss: Die vertrockneten Grasbüschel tauchen die Hänge in ein Erntedank-Gelb, angestrahlt von der Nachmittagssonne. Mal verhalten, dann wieder schneller, je nach Gelände, sausen wir durch die Schlucht, ich diesmal vor Christian. Unten angekommen folgt ein eineinhalb Kilometer langer Hatscher, danach geht es nochmal auf einen Trail, der sich zieht, uns aber direkt wieder zum Parkplatz bringt. Ich blicke hoch zur Kirchturmuhr. Es ist 16:40 Uhr. Perfekte Landung! Aus angekündigten etwas mehr als 20km und 1000hm sind es 24,8km und 1329hm geworden - zu unserer Freude mit hohem Laufanteil.

Hier was zum Gucken: Aufstieg zum Rabenkopf und Rappinschlucht

Bis zum nächsten Mal.
In the meantime: Sharon Shannon & Steve Earle Galway Girl Live

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Blick hinüber zum Rabenkopf 19.12.2015


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